Rückblick in die Zukunft: Computerspiele als Kultur, Kunst oder Krempel

Das Jahr 2013 geht langsam aber sicher zu Ende und es wird Zeit, sich über die Zukunft Gedanken zu machen. Und genau das habe ich in den letzten beiden Monaten ausführlich getan.

Mythos Kulturgut

Für die Stiftung Digitale Spielkultur habe ich meinen kritischen Vortrag vom diesjährigen researching games Barcamp in einen dreiteiligen Text zur Zukunft digitaler Spiele als Kultur ausgearbeitet. »Mythos Kulturgut« hat ein paar spannende Reaktionen und Diskussionen ausgelöst und ist mittlerweile auch auf der Homepage des GamesMarkt (Teil 2 & Teil 3) erschienen:

Das digitale Spiele jetzt ein Kulturgut sein sollen, ist ein gefährlicher Status Quo, der beiden Seiten recht gibt. Wozu digitale Spiele noch weiterdenken, wenn sie schon kulturell akzeptiert sind? Und wozu unbequeme Computerspiele ernst nehmen, wenn ihre kulturell-pädagogisch wertvollsten Vertreter doch schon erkannt und mit Lob bedacht wurden? Am Ende können neue Diskussionen aber nur zu einer reicheren Spielkultur führen, die keine Idee von digitalen Spielen vorschnell marginalisiert oder bevorzugt.

Die Unentrinnbarkeit der neuen Computer-Games

Für das Kulturjournal des Bayrischen Rundfunks habe ich Fragen zu Computerspielen, ihren Misskonzeptionen und den Tücken ihrer Musealisierung beantwortet. Das kann man auf der Homepage des BR nachlauschen, als Podcast downloaden oder einfach direkt hier (ab Min. 17:10) hören [Edit: leider depubliziert].

Weitere Hintergründe gibt es in Textform [Edit: leider depubliziert]:

Was vor mehr als vierzig Jahren mit simpler Interaktion auf einem grauen Bildschirm begann, ist heute zu einem bunten Kosmos komplexer Fiktionen geworden. Und inzwischen haben es gute Computerspiele sogar in große Museen geschafft.

In-Game Purchases

Die Netzreporter vom RBB Inforadio haben mich hingegen zu einem eher dunklen Trend der zukünftigen Spielkultur befragt: In-Game-Käufe. Das ich nicht all zu viel davon halte, kann man sich hier anhören [Edit: leider depubliziert]. Wer tiefer in die Materie einsteigen möchte, dem sei dieser ausgiebige Text von Game-Designer und Journalist Tim Rogers empfohlen: »Who Killed Videogames?« (A Ghost Story).

To put it most bluntly – and this is only a theory – videogames killed videogames. As is often the case with this kind of senseless cold-blooded murder, the finger on the trigger belonged to a videogame-psychosis born of the worst qualities of game design. They are the qualities most ready to be studied […]. When a psychiatrist looks at videogames, he’s not going to appreciate the fineness of the sprite art; he’s going to find the elements that get stuck in the brain.

Thanks for Playing

An der Ruhr-Universität Bochum hat sich vor einiger Zeit die Initiative Game Studies gebildet, mit dem Ziel „digitale Spiele als Gegenstand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung in den Fokus zu rücken“. Ein Standbein davon ist die Vortragsreihe »Thanks for Playing«, die in diesem Semester zum Thema „Controlling“ abgehalten wurde und zu der ich am 12. Dezember mit meinem Vortrag »Beyond Control(ling) – Regelbruch, Kontrollverlust, Ilinx und der Ambience Act im Computerspiel« eingeladen war:

Seit ihren Anfängen sind Computerspiele eng mit der Idee des Computers als Kontroll- und Steuerungsinstrument verknüpft. Seien es die bürokratischen Routing-Probleme von (Text-) Adventures, die Annäherung an ideale Bewegungsnotationen bei Actionspielen oder die zu optimierenden Konfigurationen von Variablensystemen im Strategie- und Rollenspiel-Genre; stets gehen mit den Handlungsoptionen der Spieler/innen auch strenge Handlungsvorgaben einher.

Vor allem in der internationalen Independent-Gaming-Szene zeigt sich jedoch aktuell der Versuch, Handlungsfreiheit nicht nur durch die Steigerung von Optionsvielfalt und Regelkomplexität zu suggerieren, sondern den Spieler/innen – durch subversive Spielmechaniken und Offenheit im Game-Design – andere Partizipationsräume zu eröffnen. Die Design-Strategien reichen dabei von gezielten Regelverletzungen über kontrollierten Kontrollverlust bis hin zum ästhetischen Taumel bzw. einer Ästhetik der Atmosphären.

Der Vortrag von Christian Huberts skizziert diese Entwicklung anhand klassischer und aktueller Beispiele. Dabei stehen nicht nur allgemeine Fragen des Game-Designs im Vordergrund, sondern ebenso der potentielle Umgang der Game Studies mit den Transgressionen des Mediums Computerspiel.

Im kommenden Jahr wird es noch das Vortragsvideo zu sehen geben, inklusive einem Interview zum Stand der Game Studies, das ich im Vorfeld gegeben habe. Bis dahin muss ein Foto reichen:

Thanks for Playing: Beyond Controling

WASD #4

Die neuste Ausgabe des Bookzines WASD ist seit ein paar Wochen erschienen und widmet sich ganz dem Thema „Zukunft“. Wie immer gibt es eine ausführliche Leseprobe [Edit: leider nicht mehr verfügbar] bei der mein Liebesgeständnis zu Gone Home jedoch nicht mit dabei ist. Daher hier als Trost ein kleiner Ausschnitt:

Gone Home ist ein Spiel für Mittzwanziger (und aufwärts). Das Haus der Kindheit in das man zurückkehrt, selbst wenn man in einer kleinen Wohnung aufgewachsen ist und sich das Kinderzimmer mit dem großen Bruder teilen musste. Damit ist Gone Home was jedes gute Computerspiel sein sollte: Ein Rückzugsort, ein ungestörter Dachboden, auf dem sich Träumen und Spielen lässt!

„Speicher meiner Langeweile, wie oft habe ich mich nach dir zurückgesehnt, wenn das vielfältige Leben mich um den eigentlichen Keim aller Freiheit betrog.“

Gaston Bachelard

Lobend erwähnt sei auch noch das »Quartett der Videospielskandale« mit dem sich sicherlich der ein oder andere maue Weihnachtsfeiertag aufpeppen lässt. Oder eben doch heißer Kaffee.

Picasso oder Pixel

UnAufgefordert, die Studentenzeitung der Humboldt Universität Berlin, hat mich in ihrer mittlerweile 220. Ausgabe dazu befragt, ob Computerspiele Kunst sein können und einen zweiseitigen Artikel daraus gestrickt:

Best Games of 2013

Zu guter Letzt noch meine Top 5 der Computerspiele diesen Jahres. Solche digitalen Spiele möchte ich in Zukunft bitte häufiger sehen:

1. Gone Home

Weil es mit seiner schlichten, anrührenden spatial story mehr Charakter und Tiefgang beweist, als alle AAA-Narrative des ganzen Jahres.

2. Device 6

Weil es die Meta-Erzählung von The Stanley Parable stilvoll überbietet und das navigierbare Text-Interface einfach der Hammer ist.

3. Proteus

Weil selbstzweckhaftes spazierengehen noch nie so ästhetisch ansprechend war, ganz ohne Mechanik- und Story-Firlefanz.

4. Kentucky Route Zero

Weil der magische Realismus im Computerspiel längst noch nicht so abgegessen ist wie überall sonst und jedes Game mit Bluegrass-Soundtrack einen Preis verdient.

5. The Wolf Among Us

Weil Zombies und Vertrauenskonflikte zwar ganz nett sind, ich mich aber lieber mit marginalisierten Unterschicht-Märchenfiguren solidarisiere.

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