Spiel|Handlung: Jubiläumstagung der AG Games

Während sich die zeit-, entscheidungs- und konfigurationskritischen Aktionsangebote von Computerspielen aktuell in Genre-Hybridisierungen und Mechanik-Rekombinationen erschöpfen, bemüht sich eine wachsende Anzahl von Entwicklern – häufig aus der Independent-Gaming-Szene – um die Forcierung alternativer ludisch-ästhetischer Handlungsmöglichkeiten.

Vom 18. bis zum 20. April 2013 wird auf dem Schloss Wahn in Köln die Jubiläumstagung »Spiel|Handlung« – zum 10-jährigen Bestehen der AG Games der Gesellschaft für Medienwissenschaft – veranstaltet. Ich bin mit einem Vortrag dabei, aber wie üblich bürste ich das Veranstaltungsthema ein wenig gegen den Strich. Statt über Handlungen, möchte ich über das Nichtstun im Computerspiel reden. Unter dem Titel »(Nicht-)Handlungen im Computerspiel: Atmosphäre, ambiente Akte und Passivität« wird es unter anderem um Proteus (mal wieder), die Ästhetik der Atmosphären im Computerspiel, Gelassenheit und ostasiatische Konzepte wie 爲無爲 (wéi wúwéi, chinesisch, in etwa „Handeln durch Nicht-Handeln“) gehen. Aber auch das restliche Programm hat es in sich. Mit Britta Neitzel, Rolf F. Nohr, Philipp Bojahr und vielen anderen mehr, sind einige Protagonisten der deutschsprachigen Game Studies versammelt. Es lohnt sich also vorbeizukommen. Ich freue mich über bekannte Gesichter! [Update: Kollege Felix Schröter hat einen Bericht zur Tagung geschrieben.]

Nicht-Handlungen im Computerspiel – Titelfolie

Abstract

Während sich die zeit-, entscheidungs- und konfigurationskritischen Aktionsangebote von Computerspielen aktuell in Genre-Hybridisierungen und Mechanik-Rekombinationen erschöpfen, bemüht sich eine wachsende Anzahl von Entwicklern – häufig aus der Independent-Gaming-Szene – um die Forcierung alternativer ludisch-ästhetischer Handlungsmöglichkeiten. So laden AAA-Titel wie SKYRIM (Bethesda Game Studios, 2011) – mit ihren ausladenden und detailliert gestalteten Spielwelten – nicht nur zum Erforschen ein, sondern ebenso zum Verweilen, zum passiven Erleben eines gestimmten Raumes. Ein Indie-Spiel wie DEAR ESTHER (thechineseroom, 2012) konzentriert sich fast exklusiv auf die Evozierung einer solchen atmosphärischen Spielerfahrung. DINNER DATE (Stout Games, 2010) zwingt die Spieler sogar gänzlich in die untätige Rolle eines Wartenden. In Alexander R. Galloways Schematisierung der vier Momente spielerischer Aktion lassen sich diese beispielhaften (Nicht-)Handlungen als »diegetic machine act« [1] bzw. »ambience act« [2] einordnen, die bislang kaum in den Game Studies untersucht wurden. Das Computerspiel spielt sich hier selbst und die Spieler müssen es folglich nur noch sein lassen.

In der bewussten Unterlassung von Handlung liegt auch die – für Spiele so konstitutive – zielgerichtete Herausforderung dieser Art von Computerspielen. Nicht mehr die spezifische Konfiguration von Variablen ist alleinige Voraussetzung für spielerischen Erfolg, sondern ein Erlauben von Atmosphäre – »die gemeinsame Wirklichkeit des Wahrnehmenden und des Wahrgenommenen« [3] – stellt ebenso Ziel wie Zielbedingung des Computerspiels dar. Der geplante Vortrag möchte einen analytischen Querschnitt über Computerspiele, die Nicht-Handlung als Handlung ermöglichen, bieten und in bestehende Diskurse einordnen – beispielsweise mit Hilfe des »Präsenz«-Begriffs von Hans-Ulrich Gumbrecht [4]. Grundlage bietet außerdem ein in Arbeit befindlicher Sammelband zu Atmosphären im Computerspiel.

[1] Galloway, Alexander R. (2006) Gaming. Essays on Algorithmic Culture. Minneapolis; London:
University of Minnesota Press, S. 12.

[2] Ebd., S. 10.

[3] Böhme, Gernot (1995) Atmosphäre. Essays zur neuen Ästhetik. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 34.

[4] Vgl. Gumbrecht, Hans Ulrich (2004) Diesseits der Hermeneutik. Die Produktion von Präsenz. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

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