Sortieren, Sammeln, Suchen, Spielen: Die Datenbank als mediale Praxis (Teaser)

»This is a path winding through a dimly lit forest«

Knapp 18 Monate ist es her, dass ich auf der Tagung »Sortieren, Sammeln, Suchen, Spielen: Die Datenbank als mediale Praxis« einen Vortrag zur »Datenbank-Ästhetik von Computerspielräumen« gehalten habe. Nun ist endlich der offizielle Tagungsband im LIT Verlag erschienen. Inklusive eines ausgearbeiteten und um einen Vortrag von Robin Krause [»Datenbanken als Spielräume«] erweiterten Artikels von mir. Zu kaufen gibt’s das gute Stück wie immer bei Amazon.de. Und nun ein kleiner Teaser:

Datenbanken als Spielräume

»This is a path winding through a dimly lit forest« »The new media object consists of one or more interfaces to a database of multimedia material.«

Lev Manovich (2001, 227)

Die Datenbank ist die dominante kulturelle Form der Informationsgesellschaft und bildet nach Lev Manovich, gemeinsam mit den zur Prozessierung ihrer Daten angewandten Algorithmen, das Fundament aller digitalen Artefakte (vgl. 2001, 226). Wir begegnen ihr ebenso beim Durchforsten des Internets oder der heimischen Festplatten, sowie auch bei einer Wanderung durch die virtuellen Märchenwälder fantastischer Computerspiele. Die Datenbank ist ubiquitär geworden und mit ihrer Hilfe erklären wir uns die Welt und verleihen unseren persönlichen Erfahrungen Ausdruck. Digitale Foto- oder Musiksammlungen und viele andere Beispiele zeigen, dass wir in unserem Alltag bewusst und unbewusst mit der Datenbank als kultureller Form spielen. In Anbetracht einer Welt, die im Zuge ihrer Digitalisierung zunehmend als Ansammlung von Daten entworfen wird, erscheint eine Auseinandersetzung mit der Funktionsweise und Ästhetik von Datenbanken daher mehr als notwendig.

»[If] the world appears to us as an endless and unstructured collection of images, texts, and other data records, it is only appropriate that we will be moved to model it as a database. But it is also appropriate that we would want to develop a poetics, aesthetics, and ethics of this database.«

ebd. 2001, 219
Sortieren, Sammeln, Suchen, Spielen: Die Datenbank als mediale Praxis
Stefan Böhme, Rolf F. Nohr,
Serjoscha Wiemer (Hrsg.)
Sortieren, Sammeln, Suchen, Spielen:
Die Datenbank als mediale Praxis.
Medien’welten, Bd. 20, 2012, 352 S.,
29.90 EUR, br., ISBN 978-3-643-11728-1

[…] Im Folgenden wird ein erster Einblick in die Ergebnisse dieser Arbeit geliefert und die Datenbank als Objekt ludischer Räume näher beleuchtet. Anhand populärer Datenbanken und ausgewählter Computerspiele wird untersucht, wie das Verhältnis von Inhalt und Interface die Ästhetik der Datenbank definiert und ebenso ihr ludisches Potential beeinflusst. Die Datenbank wird dabei stets als durch ein Interface vermittelter Inhalt verstanden und ist außerhalb dieser hybriden Konstruktion nicht wahrnehmbar. Dabei gilt grundsätzlich, dass das Interface und der Inhalt maßgeblich formen, was der User als Datenbank erfährt und wie er mit ihr spielen kann. »[F]rom the point of view of the user‘s experience […] [databases] appear as collections of items on which the user can perform various operations – view, navigate, search« (Manovich 2001, 219).

Die Datenbank wird also in erster Linie aus der Perspektive des Users betrachtet, der sie im konkreten Vollzug der Anwendungs- oder Spiel-Software als emergentes räumliches Ereignis im Zusammenspiel von Interface und Inhalt erlebt. So partizipiert der Spieler beispielsweise in Computerspielen nicht nur an einer Datenbank als emergenter Spielraum, sondern bewegt sich parallel dazu auf der Ebene der Software durch eine topografisch organisierte Datenbank. Mit Hilfe eines Interfaces ruft er diese auf und stellt zwischen ihren Inhalten logische Verknüpfungen her. »Datensätze, Dokumente oder Diskurselemente haben Positionen oder Orte. Sie liegen in der Topografie eines Netzes oder einer Karte als Knoten vor, die durch Kanten verbunden werden, die der Benutzer […] einzeichnet« (Pias 2007, 414). Der Spieler begegnet der Datenbank also zur gleichen Zeit als einem technologischen Artefakt, das er konkret durchsucht und bedient, und als einem Spielraum, den er performativ erfährt. Diesem Doppelcharakter der Datenbankästhetik wird Rechnung getragen, indem einerseits phänomenologisch auf das Spielerlebnis Bezug genommen und andererseits die ontologische Eigenständigkeit des Untersuchungsgegenstandes nicht außer Acht gelassen wird. Eine scharfe Trennung der Untersuchungsperspektiven ist in diesem Kontext weder stets gegeben noch in jedem Fall sinnvoll und macht – in begrenztem Rahmen – zuweilen einer produktiven analytischen Unschärfe Platz.

Die Untersuchung beginnt dazu analog an den unscharfen Rändern einer Ästhetik topografischer Datenbanken, also mit kulturgeschichtlichen Welt- und Datenbankmodellen, die als Vorläufer moderner Datenbanken gelten können: Die Karte und der Globus. Sie erlauben uns einen distanzierten und objektiven Blick auf die Erde und machen es möglich, die Welt mit einem Blick in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Mit Lev Manovich gesprochen sind Globen als auch Karten kulturelle Formen. Sie sind allgemein gültige und für die Allgemeinheit verständliche Mittel, »to represent human experience, the world, and human existence in this world« (Manovich 2001, 215). Mit der Karte oder dem Globus halten wir die Welt sprichwörtlich in unseren Händen und können mit dem Zeigefinger auf Reisen gehen. In ihrer ursprünglichen Form, als von Künstlern oder Kartographen bemalte Pergamente oder Plastiken, wecken diese Weltmodelle unseren Entdeckergeist. Insbesondere die weißen Flecken und Fabelwesen an den Rändern mittelalterlicher und antiker Weltdarstellungen lassen uns von Abenteuern, verwunschenen Orten und versteckten Schätzen träumen. Über die Ränder hinaus führt ein Pfad durch einen schwach beleuchteten Wald. […]

Bibliografie

  • Manovich, Lev (2001) The Language of New Media. Cambridge, MA; London: The MIT Press.
  • Pias, Claus (2007) Adventures Erzählen Graphen. In: Reader Neue Medien. Texte zur digitalen Kultur und Kommunikation. Hrsg. v. Karin Bruns & Ramón Reichert. Bielefeld: transcript Verlag, S. 398–419.