Call for Papers: Retro-Games und Retro-Gaming

Es gibt aktuell keinen Begriff, der bezeichnender ist für unsere Gegenwart als den Retro-Begriff. Wir leben in einer permanenten Renaissance.

Mein verehrter Freund und Kollege Tim Raupach – derzeit Dozent am Institut für Medienwissenschaft der Philipps-Universität Marburg – arbeitet an einem Sammelband zum Thema »Retro-Games und Retro-Gaming«. Bis zum 15. Juli 2013 können interessierte Autoren ihre Textvorschläge bei ihm einsenden. Näheres im PDF oder gleich hier im vollständigen Text des Calls:

CfP “Retro-Games und Retro-Gaming” 05/2013

Ein Projekt des Instituts für Medienwissenschaft der Philipps-Universität Marburg (Dr. Tim Raupach, Ann-Marie Letourneur, M.A.) und des International Graduate Centre for the Study of Culture der Justus-Liebig-Universität Gießen (Michael Mosel, M.A.).

Es gibt aktuell keinen Begriff, der bezeichnender ist für unsere Gegenwart als den Retro-Begriff. Wir leben in einer permanenten Renaissance. Ob es die Neigung zum Fotografieren mit analogen Fotoapparaten oder die Simulation analoger Fotografie auf den Smartphones ist, die Mittelalter-Szene oder das Wiederaufleben des Swings – in all diesen und unzähligen anderen Erscheinungen zeigt sich ein nostalgisches Verhalten: Das Leben wird in der Form geführt, in der man gleichzeitig die Rückschau genießen kann. Dies manifestiert sich in einer als exotisch zu bezeichnenden Liebe zu Fetisch-Objekten mit Patina, die schon längst von einem professionellen Marketing durch entsprechende Retroprodukte (z.B. Rubik’s Cube) befeuert wird.

Auch im Bereich der Video- und Computerspiele gewinnt der Begriff an Bedeutung. Obgleich Spielhallen (Arcades) als Tempel der technischen Innovation lange ausgedient haben und PC, Konsolen und Handheld-Systeme den Spielmarkt beherrschen, hat sich eine Nischenkultur etabliert, die mit nerdhafter Energie und Leidenschaft veraltete Spielkonsolen sammelt, in Stand hält und für eine interessierte Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Neben diesen vereinzelten Leistungen, Orte kollektiver Erinnerung vergangener Bildschirmspielzeiten zu kultivieren, erfahren Retro-Spielkonsolen und -automaten durch deren mittlerweile sehr beliebte Systemnachbildungen (Emulatoren), die auf PC-Basis gespielt werden können, breitere Computerspielrelevanz.

Abseits dieser eher konservatorischen Funktion von Retro-Games und Retro-Gaming, die mit der Idealisierung des Vergangenen den regressiven Teil des Retro-Begriffs markieren mag, lässt sich gerade in den visuellen Umwelten der Bildschirmspiele beobachten, dass Retro weitaus mehr als ein rückwärtsgewandter Marken- und Zeitgeistbegriff ist: Während die kommerzielle Spieleindustrie konstant damit beschäftigt ist, durch immer leistungsstärkere Engines einen fotorealistischen Bildausdruck zu generieren, zeigt sich gerade in der Indie-Games-Szene eine der eigenen medialen Tradition verpflichtete Gegenbewegung. Eine neue Generation von Spielemachern widmet sich intensiv der Rekombination stilistischer und bedienkonzeptueller Merkmale. Pixel-Art-Grafik und ehemals populäre Platform Games (z.B. Jump’n’Run) erfahren auf diesem Weg eine mediale Wiederbelebung und werden somit für und durch eine neue Generation von Spielern im zeitgenössischen Erfahrungsraum aktualisiert.

Aus diesem Grund steht der Retro-Begriff ebenso für ein flexibles Innovationskonzept einer progressiven Refiguration des Alten: Aus der gestalterischen Kraft existierender Retro-Stile, permanent neue Mischungen zu erzeugen, werden sie medienwissenschaftlich dort interessant, wo Referenzen aus verschiedenen Epochen eine flirrende Komplexität erzeugen.

So lassen sich auch in der Genrediskussion von populären Bildschirmspielen Retro-Design und Retro-Stilelemente als Genrekategorien ausmachen, die markieren, dass Genrestilisierungen über den Retro-Begriff formalästhetisch an vielen Punkten über die Möglichkeiten von HD-Remakes und Serien-Reboots hinausgehen. Kombinatorik von Darstellungsmodi, narrativ-stilistischer sowie bedienkonzeptueller Elemente verweisen ebenso sehr auf die Design-Geschichte von Bildschirmspielen, um mit diesem Rückgriff immer wieder für eine Neubildung bereits etablierter Computerspielgenres zu sorgen. In diesem Sinn wäre die progressive Seite des Retro-Begriffs mit dem Anspruch verbunden, Katalysator einer Selbstgenese zu sein, der das Wiederaufgegriffene um des Neuen willen benutzt und sich von ihm als ästhetischem Vorbild emanzipiert, ohne es zu vernichten.

Erwünscht sind Beiträge von Nachwuchswissenschaftlern der Medien- und Kulturwissenschaften zu diesen oder vergleichbaren thematischen Fragestellungen, die sich mit folgenden Aspekten von Retro-Games und Retro-Gaming beschäftigen:

  1. Form und Funktion des Zitats hinsichtlich der Bedeutung von Selbstreflexivität in Retro-Games
  2. Retro-Games als Mittel der computerbasierten Archivierung und als Medien des kulturellen Gedächtnisses
  3. Diskursivierung von Konzepten der Authentizität, der Echtheit und des Dispositivs im Medientransfer von Retro-Gaming (z.B. von Arcade-Games zu Emulatoren)
  4. Retro-Designs und Retro-Stilelemente und ihre Bedeutung für die Genrebildung von Bildschirmspiele

Publikationssprache ist deutsch. Bitte senden Sie ihre Themenvorschläge zunächst als Exposé im Umfang von max. 300 Wörtern zusammen mit einer Kurzvita bis zum 15.07.2013 an Ann-Marie Letourneur [ann-marie.letourneur@staff.uni-marburg.de], Tim Raupach [raupacht@staff-uni.marburg.de] und Michael Mosel [Michael.Mosel@gcsc.uni-giessen.de].

Wird Ihr Vorschlag angenommen, werden sie gebeten, den nach den Vorgaben der Textgestaltung (Style-Sheet) verfassten Beitrag im Umfang von 2000-5000 Wörtern bis zum 15.11.2013 an die genannte Email-Adresse zu senden.