Tod, der:

Im Computerspiel ist der Tod ein paradoxes Konzept. Solange wir nicht spielen gibt es keinen Tod. Aber sobald das Spiel durchgespielt wurde ist es gestorben. Der Spieler tötet das Computerspiel indem er es lebendig macht.

Ich bin tod. Oder besser: Ich befinde mich in der Lücke zwischen Leben und Tod. In THE VOID. Eine düstere, russisch-surreale Welt ohne Farbe. Und fast ohne Leben. Nur wenige bunte Pflanzen begegnen mir auf meinem Weg, die ich ernten, in meinen Herzen speichern und in reine Farbe transformieren kann. Mit der gewonnenen Farbe befruchte ich knochige Bäume. Innerhalb eines Zeitzyklus strotzen sie vor neuem Leben. Ich ernte, ich sähe, ich ernte, ich sähe. Schon bald sind alle meine Herzen gefüllt und die Gärten von THE VOID voller Farbe. So werde ich dieser Vorhölle entkommen und wieder Leben können! Indem ich alles bunter und lebendiger mache! Doch THE VOID macht mir einen Strich durch die Rechnung. Meine Erträge werden stetig magerer. Riesige, Fledermaus-artige Wesen attackieren mich aus der Luft. Selbst aus dem Boden schießen nun groteske Insekten und saugen mir die Farbe aus. Die Welt wehrt sich gegen mich. Nicht, weil ich sie lebendiger mache. Nein. Weil ich sie töte! Ich verschwende Farbe, verbrauche mit jedem Zyklus mehr Leben. Mein Handeln in der Welt zerstört das Gleichgewicht, den Stillstand. Denn Leben heißt in THE VOID sterben. Ich hätte auf die Wächter hören sollen, entstellte männliche Kreaturen, die jeden Gebrauch von Farbe unter Strafe stellen. Sie wachen über die stabile Stagnation der Welt. Die Wächter bremsen das Leben, um den Tod ewig hinauszuzögern. Aber stattdessen habe ich auf die Fürstinnen gehört, nackte Frauen, die mir das Geheimnis der Flucht aus dem Tod verraten wollen, wenn ich ihnen nur ein wenig Farbe abgebe. Doch jetzt habe ich die Welt durch meine Gier nach Farbe, durch mein Verlangen nach Leben, dem Tod näher gebracht. THE VOID ist altersschwach geworden und auch meine Herzen durchfließt nur noch wenig Farbe. Von Zyklus zu Zyklus rücke ich dem Ende entgegen. Und schließlich sterbe ich den „Absoluten Tod“. Game Over. In Computerspielen können wir nicht sterben. Aber wir töten das Computerspiel indem wir es spielen. Mögen uns die Spiele auch weiß machen, dass wir ihre Welten durch unser Handeln befreien, retten oder erblühen lassen, eigentlich nehmen wir ihnen Stück für Stück ihr Leben. Jeder geschlossene Schaltkreis, jede aktivierte Flag nimmt dem Spiel ein Stück Potentialität. Am Ende gibt es nur noch einen Knopf, den man drücken muss. Alle Erfahrungen sind bereits gemacht. Alle Orte besucht. Alle Gegner besiegt. Und dann: Der „Absolute Tod“ des Computerspiels, das Game Over. Wenn wir nicht wollen, dass das Spiel stirbt, sollten wir dem Rat der Wächter folgen, Joypad, Tastatur und Maus zur Seite legen, und dem Spiel in Zukunft nur noch beim ewigen Nicht-Sterben zuschauen. Oder aber wir erfreuen uns weiter an den nackten, sich räkelnden Körpern der Fürstinnen und genießen das Leben, selbst wenn es irgendwann den Tod bedeutet.

THE VOID ist ein bizarres russisches Ego-Adventure. An der Schwelle zum Tod, baut der Spieler Farben an und versucht ins Leben zurückzufinden. Ein Blick in THE VOID lässt sich hier erhaschen.

(Ursprünglich erschienen auf subpool.de)