#Remain, weil es läuft ja. Halbzeit 2016.

Aus- und Rücktritte liegen gerade im Trend. Meine Auftraggeber haben jedoch – zum Glück – #Remain gewählt. Auch im ersten Halbjahr 2016 gab’s reichlich zu tun an der freiberuflichen Games-Experten-Front. Eine Auswahl.

piqd

Nach wie vor bin ich Kurator bei piqd – der ›Programmzeitung für guten Journalismus‹ – und suche nach erkenntnisreichen Artikeln über Computerspiele und Gaming-Kultur. Mittlerweile habe ich dort sogar eine eigene Experten-Seite und einen spezialisierten Twitter-Kanal für Games gibt es seit Kurzem ebenfalls. Reinschauen lohnt sich:
Tweets by piqd_games

Der Next Level Conference und anderen gefällt’s auf jeden Fall. Und wer gerne meine Piqs kommentieren oder im Community-Bereich selbst zu Games piqen möchte, kann mich in den Kommentaren nach einem Code für eine Premium-Mitgliedschaft fragen – so lange der Vorrart reicht.

Nachtkritik – Monypolo

Die Theatergruppe Prinzip Gonzo setzt regelmäßig Spielmechaniken im Theaterkontext um. Ihre neuste ›Open-World-Simulation‹ heißt Monypolo und setzt sich auf spielerische Weise mit dem Kapitalismus auseinander. Für Nachtkritik.de habe ich ein Spiel gewagt und meine Eindrücke schon am nächsten Morgen festgehalten:

Im Untertitel heißt es „Liebe dein System“ und auch das System dieses Spiels lässt sich ganz widerstandsfrei lieben. Es gibt kaum ernste Regelkonflikte und keine kritische Rhetorik, die sich aus dem Zusammenspiel der Simulationsvariablen entwickelt. Erfolg haben ist geil und verlieren gar nicht so schlimm. Nicht mal das Gefängnis droht. Jeder geht über Los! Das spiele ich gerne wieder – an einem verregneten Sonntag mit der Familie oder beim Betriebsausflug zur Verbesserung der Teamfähigkeit. Nur um den Kapitalismus zu befragen, spiele ich es wohl nicht noch einmal.

Das klingt wahrscheinlich etwas hart. Spaß hatte ich auf jeden Fall. Nur hatte ich den auch schon dutzenfach in kapitalistischen Spielwelten am Computer. Wenn Theater dem nicht viel mehr hinzuzufügen hat, bleibe ich skeptisch…

detektor.fm – Alternate Reality Games

Ich weiß nicht, ob Ihr es schon gehört habt, aber Pokémon Go wurde offiziell veröffentlicht. Und in gewohnt prophetischer Weise, habe ich bereits Wochen vorher einen Hype vorhergesagt. Auf detektor.fmsprach ich über ›Alternate Reality Games‹ und erwähnte ganz beiläufig, dass die Pokémon-Lizenz wohl für mehr Appeal in der breiten Öffentlichkeit sorgen wird. So ist es nun ja wohl gekommen:

Die Faszination besteht im Verwischen der Grenzen zwischen Alltag und Fiktion. So kann der manchmal etwas langweilige Alltag mit geheimnisvollen Dingen aufgefüllt werden.

Hier kann man in das Interview reinhören:

D’haus – Ureinwohner

Noch mehr Theater. Mit Natives von Glenn Waldron hat das Düsseldorfer Schauspielhaus zur Zeit ein tolle Stück für Jugendliche im Programm. Für das Spielzeitheft D’haus durfte ich darüber schreiben – sowie über X-Men, Zombies und Computerspiele:

https://issuu.com/ddorferschauspielhaus/docs/20160705_dhaus_spielzeitheft_rz_ein/38

Ein nuklearer Krieg hat die Erde zerstört. Wie in den »Fallout«-Computerspielen. Es herrschen Überlebenskampf und Bürgerkrieg. Wie in »Die Tribute von Panem«. Alle tragen Schwarz. Wie in »Matrix«. Zwischen Ruinen erwachen in 14-jährigen Jugendlichen ungeahnte Kräfte. Wie bei den »X-Men«. Die sogenannten »Special Ones« können die Elemente kontrollieren. Wie in der Zeichentrickserie »Avatar«. Oder sie beschwören magische Kreaturen. Wie in »World of Warcraft«. Mit ihren neu gewonnenen Fähigkeiten richten sie größeres Chaos an, als es je gegeben hat. Den Anfang von Glenn Waldrons Stück »Natives« bildet ein Sammelsurium popkultureller Zerstörungs- und Machtfantasien. Als hätte man die Erzähltropen der Jugendkultur in einen Mixer geworfen. Drei Jugendliche – A, B und C – erzählen sich diese Geschichte. Sie stammt aus einem Film, den sie alle gesehen haben, könnte aber genauso gut ein Computerspiel oder ein Comic sein. Games definieren sich als Medium dadurch, dass in ihnen nicht nur passiv konsumiert, sondern aktiv Handlungsmacht ausgeübt wird.

Kompressor – Hakenkreuze in Games

Auf die Gefahr hin, als Hakenkreuz-Verteidiger in die deutsche Computerspielgeschichte einzugehen, habe ich im Kulturmagazin Kompressor des Deutschlandradio Kultur über die Darstellung verfassungsfeindlicher Symbole in Games gesprochen:

Nazi-Symbolik darf in Unterhaltungsmedien nicht gezeigt werden. Trotzdem sehen wir in Spielfilmen häufig Nazis mit Hakenkreuzen, in Videospielen werden sie strikt zensiert. Ein Anachronismus, findet der Online-Journalist Fabian A. Scherschel in einem Kommentar auf heise.de. Hat er recht? Warum? Darüber sprechen wir mit dem Game-Experten und Kulturwissenschaftler Christian Huberts.

Das ganze Interview mit mir gibt es hier. [Edit: Leider mittlerweile depubliziert]

WASD #9

Kein Halbjahr ohne neues WASD-Bookazine! In der 9. Ausgabe geht es diesmal um das Erzählen von Geschichten in Computerspielen. Wer sich – völlig unverständlich – vor dem Impulskauf noch unsicher ist, kann wie immer in die kostenlose Leseprobe reinschauen. Und wer lieber zuhört als liest, darf sich gerne die zugehörige Folge des WASD-Talk anhören. Hier entlang:

Von mir gibt es einmal etwas über beliebte Story-Klischees – von Rache bis zu Gut und Böse – zu lesen sowie einen Vergleich von The Witness und Firewatch:

Der Job der Brandwache von Firewatch ist nicht, so betont die Vorgesetzte Delilah per Funkgerät, die Wildnis von Wyoming vor dem Verbrennen zu bewahren, sondern da zu sein, wenn es passiert. Und The Witness trägt die Zeugenrolle ebenso bereits im Titel. Es möchte ein Puzzlespiel sein, das das gesamte Dasein bezeugt. Zwei Spiele, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten und die sich dennoch an einem gemeinsamen Thema abarbeiten. Was heißt es, die Welt zu beobachten und darin Erkenntnis oder Schönheit zu finden? In ihren Landschaften und Mechaniken antworten die Spiele mit gegensätzlichen Philosophien.

Da bei der WASD-Lektüre auch die richtige Stimmung wichtig ist, gibt es hier ein wenig Anschauungsmaterial für eine geeignete Atmosphäre:

TinCon – Science Slam

Die TinCon ist eine schöne, neue Convention für Jugendliche in Berlin. Vom 27. bis zum 29. Mai gab es dort massenweise Vorträge und Workshops zu Netzkultur, Gesellschaft und Politik. Darunter auch ein Science Slam bei dem ich mitgewirkt habe. Mein Thema war – wie bei einem vergangenem Slam in 2015 – die Definition(en) von Games. Anschauen kann man sich den gesamten Slam hier:

Here|There – Missverständnis ›Walking-Simulator‹

Wo wir schon bei der Definition von Computerspielen sind: So genannte ›Walking-Simulator‹ werden ja gerne von richtigen™ Games abgegrenzt. Ein Vorgehen, mit dem ich mich ungern zufrieden gebe. Im Rahmen der Ringvorlesung Here|There am Kunst- und Mediencampus Hamburg, habe ich mich daher daran versucht, den gemeinen ›Walking-Simulator‹ genauer unter die Lupe zu nehmen und in etablierte Spieldefinitionen zu integrieren:

Der derogativ gebrauchte Begriff »Walking-Simulator« weist in seiner Unbeholfenheit bereits auf eingeschliffene Grundannahmen über Computerspiele hin: Sie haben zwingend aktive Handlungen – zumindest das Gehen – zum Kern und simulieren die dafür notwendigen, physikalischen und geometrischen Bedingungen. Dass diese Charakterisierung zu kurz greift, zeigen immer mehr Games, die sich – ganz oder teilweise – bewusst an Passivität und rein ästhetischen Erfahrungen abarbeiten. Ihr Status als »richtige« Computerspiele wird aus diesem Grund jedoch regelmäßig angezweifelt. Mit Hilfe der Neuen Ästhetik sowie Theorien aus der Theaterwissenschaft, möchte der Vortrag einen anderen Zugang zu Walking-Simulatoren ermöglichen, der ihre Transgressionen nicht kategorisch ausschließt, sondern in etablierte Definitionsansätze integriert.

Der Vortrag wurde auch auf Video aufgezeichnet. Sobald das Material veröffentlicht wird, werde ich es teilen. Bis es soweit ist, muss man sich mit Augenzeugenberichten begnügen oder kann sich schonmal durch meine Vortragsfolien klicken:

http://www.de.slideshare.net/slideshow/embed_code/key/NBNhSjtxYs49iC

International Games Week

Die International Games Week vom 18. bis zum 24. April in Berlin war auch in diesem Jahr wieder der absolute Input-Overkill. Während ich auf dem A MAZE.-Festival noch relativ entspannt passiv konsumieren konnte, war ich auf den anderen Veranstaltungen fest aktiv eingebunden. Auf dem researching games BarCamp hielt ich etwa zusammen mit Eric Jannot einen kurzen Impulsvortrag zur Darstellung von Armut in Computerspielen. Ein Thema, dem ich mich in der Vergangenheit schon gewidmet habe und das wir demnächst noch mehr beackern wollen. Außerdem durfte ich im Rahmen des Gamefest am Computerspielemuseum ein Filmprogramm zum Thema ›Virtual Reality & Beyond‹ kuratieren. Spätestens nach dem mehr als dreistündigen Filmmarathon mit Rainer Werner Fassbinders Welt am Draht, war das eine spannende aber auch anstrengende Angelegenheit…

Breitband – Rust

Rust ist ein Spiel, bei dem ein Haufen nackter Menschen um’s Überleben kämpft und sich dabei in bester, sozialdarwinistischer Tradition das Leben gegenseitig zur Hölle macht. Angeheitzt wird der schreckliche Naturzustand dadurch, dass die Spielenden mittlerweile ihre Hautfarbe, ihr Geschlecht und ihre Penislänge per Zufall zugewiesen bekommen. Eskalation! Im Deutschlandradio Kultur habe ich in der Sendung Breitband über die Faszination von Rust und die fragwürdigen, sozialen Experimente der Entwickler gesprochen:

Beim Multiplayer-Survival-Spiel Rust hat es ein neues Update gegeben, bei dem der Spieler nicht selbst entscheiden kann, welches Geschlecht seine Spielfigur hat. Das Game entscheidet anhand der Steam-ID, ob die Spielfigur männlich oder weiblich ist. Wie beeinflusst dieser Mechanismus das Spiel und den Spieler? Wird das Game so zu einer Art sozialem Experiment? Und was versprechen sich die Entwickler davon? Darüber sprechen wir mit dem Kultur- und Medienwissenschaftler Christian Huberts.

Reinhören kann man hier:

April, April!

Für alle die es immer noch nicht mitbekommen haben: Mein neues Buchprojekt war natürlich ein Aprilscherz! Bei den vielen Rezensionsanfragen, die bei mir eingetrudelt sind, scheint aber durchaus interesse an Ludische Flatulenz zu bestehen. Also sollte sich noch ein Verlag mit einem lukrativen Angebot bei mir melden, wird dieses Bild vielleicht doch noch Realität:

Zeit Online – Deutscher Computerspielpreis

Jedes Jahr wieder: Der Deutsche Computerspielpreis. Und obwohl ich sehr gut finde, dass es ihn gibt, kann ich nicht anders, als regelmäßig meinen Senf dazu zu geben. Für Zeit Online habe ich mir also im Vorfeld die Nominierungen angeschaut und Kritik am mangelnden Mut des Preises geübt:

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es ist gut, dass es den DCP gibt. Besonders für kleine, unabhängige Entwicklungsstudios kann er neben Anerkennung auch finanzielle Mittel für mutigere Projekte mit sich bringen. Aber auch im achten Jahr seines Bestehens ist nicht mit großen Überraschungen zu rechnen. Akzente setzt der DCP nach wie vor nicht.

Da die Gala diesmal wieder in München stattfand, konnte ich leider nicht vor Ort sein, um eine Runde Buzzword-Bingo zu spielen. Aber wofür hat man einen Live-Stream und Twitter?

https://twitter.com/ChristianHaH/status/718139256099717120

More Than Games – Ideologien im Computerspiel

Im Januar hat mich der AStA der Universität Kassel zur Veranstaltung More Than Games eingeladen. Dort habe ich über Ideologie in Computerspielen geredet:

Die Vorstellung von Spielen als unernste, ideologisch neutrale Gegenstände der reinen Unterhaltung hält sich hartnäckig. Dabei haben sie ihre Wurzeln schon immer im Ernst – seien es religiöse Rituale, politische Prozesse oder kriegerische Konflikte. Und auch die Erschaffer von Spielen sind zwingend Teil sozialer, ökonomischer und historischer Zusammenhänge. Spielregeln erschaffen Spielwelten und damit also stets auch (Spiel-)Weltanschauungen. Computerspiele können daher gar nicht nicht politisch sein, weil ihnen immer Ideologie zugrunde liegt. Das zeigt sich insbesondere in ihrem Umgang mit gesellschaftlichen Stereotypen, der unbewussten Reproduktion wirtschaftlicher Systeme, aber auch in ihrer grundlegenden Nachbildung und Neuerfindung der Realität unter dem Diktat der Digitalität.

heute+ – 20 Jahre Pokémon

Pokémon again. Die Taschenmonster sind nun schon seit 20 Jahren Massenphänomen, popkulturelle Ikonen und finanzielles Zugpferd von Nintendo. Für heute+ war ich auf dem JapanFestival in Berlin unterwegs und habe ein paar Fragen zu den Pokémon beantwortet [Edit: Leider mittlerweile depubliziert]:

Fangen, tauschen, kämpfen: Seit 20 Jahren begeistern die Pokémon mit diesen Prinzip ihre Fangemeinde in sämtlichen Formen und Farben. Ob als Spiel oder im Kino: Pikachu und Co sind nicht totzukriegen.

Die Deutsche Bühne – machina eX

Ok, bis zum Theaterexperten ist es wohl auch nicht mehr weit. Für das Theatermagazin Die Deutsche Bühne habe ich das Game-Theaterkollektiv machina eX portraitiert:

Am Anfang von machina eX steht nicht etwa die Revolution des Theaters durch digitale Spiele, sondern ein naiver Wunsch: „Wir wollen Computerspiele in echt machen“, sagt Philip Steimel, Gründungsmitglied der Gruppe. Eine Verbindung zum Theater ist jedoch schnell gefunden. „Gerade Point’n’Click-Adventures haben in ihrer Ästhetik bereits Anlagen von Bühne und Kammerspiel“, so Steimel. Im Adventure-Genre können die Spielenden – meist über das Klicken mit dem Mauszeiger – die Spielwelt manipulieren und so das Fortschreiten der Narration bewirken. Eine Übertragung der Dramaturgie von Point’n’Click-Adventures auf die Theaterbühne liegt nahe und wird 2010 – im Rahmen einer studentischen Abschlussarbeit am Institut für Medien und Theater der Universität Hildesheim – zur Realität. „Maurice“, das erste theatrale Game der Gruppe, macht das Publikum zum Cursor.

Zeit Online – That Dragon, Cancer

2016 ist bereits zur Halbzeit ein großartiges Jahr für Computerspiele. Einen ebenso starken wie berührenden Start stellte schon im Januar That Dragon, Cancer dar. Dem intimen, biografischen Game über ein krebskrankes Kleinkind habe ich einen ausführlichen Text auf Zeit Online gewidmet:

Ein Kind stirbt an Krebs und man kann nichts dagegen tun. That Dragon, Cancer ist kein leicht zu konsumierendes Computerspiel und gleichzeitig ein stiller Hoffnungsträger für die Zukunft des Mediums. Es hebt sich von den meisten anderen Games ab, wie ein Requiem von Karnevalsmusik. Die Drachen, die hier bekämpft werden, sind realer und schrecklicher als gewohnt.