Nein zu Sex in Computerspielen

Zum Release der WASD #9 ein Text-Klassiker: Sex in Games. Oder besser: Kein Sex. In Computerspielen.

Hier mein Rant aus der WASD #7:

Richtig schlechter Sex

von Christian Huberts

Hätten Game-Designer ähnlich viel Aufmerksamkeit in Sex wie in Gewalt investiert, gäbe es heute vielleicht ein vielfältiges und anregendes Angebot an digitalen Fickspielchen. So bleibt jedoch einfach nur eine endlose Abfolge peinlicher und entwürdigender Sexunfälle, die jedes schüchterne Erste Mal im Meatspace zum Edelporno adeln.

Das Einzige, was ich beim Sex in Computerspielen hochkriege, ist meine Highscore. Point-Poppen. Wer am schnellsten rüttelt hat gewonnen. Wie bei Sex Games auf dem C64. Rund dreißig Jahre später hat sich der Sex im Computerspiel leider keinen Deut weiterentwickelt. Selten wurde eine so zentrale, menschliche Verhaltensweise ähnlich fantasielos in digitalen Spielen umgesetzt. Ficken nach Zahlen. In einem Song von Genesis singt Peter Gabriel (bevor sie ihn aus der Band geworfen haben):

I’m counting out time,
Got the whole thing down by numbers.
All those numbers!
Give me guidance!
O Lord I need that now.

Sex im Computerspiel wurde auf ein Timing-Problem für unsichere Gamer heruntergekocht. Rein. Zwo. Drei. Vier. Raus. Zwo. Drei. Vier. So auch in Quantic Dreams Fahrenheit, dessen fremdbeschämende Sex-Szenen nur noch von freischwebenden Kung-Fu-Kämpfen unterboten werden. In bester Pick-Up-Manier wird da die Ex zum Beischlaf verführt, nachdem man sich kurz vorher noch das Blut von den Mörderhänden gewaschen hat. Und dann ab in die Missionarsstellung mit kanadischem Kuschelrock auf den Ohren und sanft vibrierendem Joypad in den Händen. Rumble-Rammeln. Ein Walkthrough ist hier überflüssig. Der Akt erklärt sich von selbst. Analog-Stick nach vorne und wieder zurück, weil so läuft’s doch, oder? Oder? *nervöses Kichern* Alles nach Plan, kein Risiko, keine Spontanität, keine Experimente, keine Fantasie. Sex als Spielmechanik sagt doch schon alles darüber aus, was Sex in Computerspielen eigentlich ist: Mechanik.

Look! I’ve found the hotspots, Figures 1–9.
– still counting out time, I’ve got my finger on the button,
»Don’t say nuthin’ – just lie there still now
And I’ll get you turned on just fine.«

Wenn ich dann die weibliche Hauptfigur von Fahrenheit übernehme, darf ich gleich ganz passiv beim Sex bleiben. Weil nur richtige Kerle wissen, wie man die Knöpfe ordnungsgemäß drückt. Ist doch so?! *BROFIVE* Wie der Kriegsgott Kratos aus God of War. Nichts ist unerotischer, als ein QTE-Quickie mit barbusigen Griechinnen. Selbst wenn ich mich auf etwas anderes als den nächsten Tastendruck konzentrieren könnte, würde ich doch nur eine eher ungeile Vase sehen, die vom Tisch fällt. Ein Sexgott ist Kratos nicht, gemessen an diesem verschämten Button-Gebumse. Die einzigen Fantasien die hier aufkommen, handeln von maskuliner Dominanz, Kontrolle und Player-Potenz. Wer ist bitteschön die Zielgruppe für dieses lahme NPC-Penetrieren? Ach ja! Wenn das Hardcore ist, dann entscheide ich mich lieber und immer wieder gerne für den unbeholfenen, ersten Casual-Koitus im RL. Meine Faustregel für schlechte (Sex-)Spiele: Wenn sie genauso gut oder besser von einer Maschine erledigt werden könnten, dann taugen sie nichts. Minigame-Rumgemache ist etwas für Bots. Sex optimiert man nicht wie einen Speedrun. Sex ist ein Dialog, in dem man gemeinsam mit den Partner*innen herausfindet, welche Perversionen eine Chance auf Umsetzung haben und wie man mehr als die Nintendo-Daumen in Wallung bringt. Denn menschliche Leidenschaft geht immer erst den Umweg über die Anderen, kann nicht geplant oder kontrolliert werden, darf überraschend sein und manchmal auch enttäuschen. Still better sex than God of War!

I’m counting out time, reaction none too happy,
Please don’t slap me,
I’m a red-blooded male and the book game said I could not fail.

Da lobe ich mir die prüden Filmsequenz-Ficks aus Dragon Age und Co. Dort muss ich nichts bedienen oder beweisen und habe obendrein die Hände frei. Wenn ich nur zugucken darf, ist endlich dieser unerträgliche Gamer-Narzissmus durchbrochen. Die egozentrische Überkompensation aller unerfüllten Wünsche ist das Metier des Pornofilms und wir wissen ja, wie scheiße die Übertragung in die Realität meist abläuft. Ich will gar nicht versichert bekommen, wie spektakulär ich im virtuellen Verkehr sein kann. Ich bin schon die geilste Sau, wenn ich den anderen Göttern kräftig den Hintern versohle. Kein AAAnalsex notwendig. Warum reden wir nicht einfach nur mal ein bisschen miteinander, Computerspiel? Das wäre doch nett. So finden wir heraus, was wir eigentlich voneinander wollen, experimentieren ein bisschen rum und lassen das im Zweifelsfall einfach mit dem schlechten, virtuellen Vögeln. Vielleicht ist es mit Sexspielen ja ganz einfach wie mit Kriegsspielen: »The only winning move is not to play!«

1 Kommentar

Ja, die Sexszenen in DA:I waren wirklich erstaunlich ok bzw auch recht lebensnah von den Dialogen her, zumindest musste man sich nicht fremdschämen. Die gute Wirkung wurde leider durch die Trophy Benachrichtigung komplett zerstört, aber man kann ja nicht alles haben.