Working-Simulator. Endzeit 2015.

Jahresendzeit. Zeit für Rückblicke. Ich spare mir die erste Hälfte des Jahres und gehe gleich zur zweiten über. Und die war mal wieder ziemlich voll mit neuen Projekten, Texten und Veranstaltungen. Bei so viel Arbeit muss es sich bei meinem Leben sicher um einen Working-Simulator handeln! Oder doch nur passive Präsenz in einer intensiven Arbeitsatmosphäre? Entscheidet selbst.

Piqd

Seit November diesen Jahres filtert das Medien-Startup piqd das Internet nach lesenswerten Texten. Das Experten-Portal versteht sich als Gegengift zur immer unübersichtlicher werdenden Online-Journalismus-Landschaft und gegen die ewig drohende Filterblase. Und ich bin als Games-Experte mit an Bord! Hier kann man reinschnuppern, was piqd so pickt:

Science Games

Ein weiteres Projekt an dem ich als Autor teilhabe ist Science Games [Edit: Seite und alle meine Beiträge sind leider Offline]. Das Portal sammelt Computerspiele, die sich mit Wissenschaft auseinandersetzen, wissenschaftliche Prinzipien transportieren und sich journalistisch oder pädagogisch einsetzen lassen. Geschrieben habe ich bislang etwa über SpaceChem, Fate of the World und Kerbal Space Program:

Mit Hilfe des intuitiven Editors ist die rudimentäre Kommandokapsel schnell mit einem kleinen Feststofftriebwerk sowie einem lebensrettenden Fallschirm ausgerüstet und die erste Rakete somit startklar gemacht. Diese tritt Dank der realistischen Physiksimulation des Spiels zwar schon nach wenigen Kilometern den sicheren Rückweg zum Boden an, die gesammelten Forschungsdaten und ersten Prämienzahlungen lassen sich aber in neue Raketenteile und bessere Startbahnen, Konstruktionshallen und sonstige Gebäude des Raumfahrtbahnhofs auf Kerbal investieren. Die nächste Rakete kratzt dann bereits am Ende der Atmosphäre und fällt anschließend wie ein Stein nach unten. Zu schnell für den Fallschirm. Kawumm.

ARTE Journal

Dans un instant: Le puissant scientifique culturelle. Im ARTE Journal durfte ich als Experte einen Satz zur schwierigen Umsetzbarkeit einer ohnmächtigen Flüchtlingssituation im ermächtigenden Computerspiel loswerden:

Next Level Conference 2015

Auch in diesem Jahr fand im Dortmunder U die Next Level Conference statt. Ich war als Panelist (und spontan als Moderator) zum Thema »Atmosphäre in Games« eingeladen:

Die meisten Games leben von der Atmosphäre. Doch was macht diese aus? Neben Musik, Farbgebung, grafischer Gestaltung und dem Gameplay tragen auch die Welt und die in ihr lebenden Spielfiguren zur Rezeption der Spieler bei. Welche Aspekte sind hierbei bei der Erstellung von Spielen wichtig und wie unterscheidet sich das Game von anderen passiven Medien?

WASD #8

1 neue WASD ist da! Und Ausgabe #8 ist 1 perfekte Last-Minute-Geschnek mit Herz zu X-mas:

Aber Spaß beiseite, natürlich geht es auch im aktuellen Bookazine ernst zur Sache. Das Thema ist schließlich »Freiheit«. Roman Lehnhof kritisiert die mangelnde Konsequenz linker Gaming-Initiativen, Jan Fischer stalked NPCs in Venedig, Benedikt Frank sucht vergeblich nach freien Computerspielen, Rainer Sigl vergleicht Open-Worlds mit All-Inclusive-Pauschalurlauben, Philipp Sickmann berichtet über das problematische Verhältnis von psychischen Zwangsstörungen und Games und Michael Schulze von Glaßer warnt vor digitalen Spielen als Überwachungsinstrument. Mein Text handelt derweil davon, wie der Allgemeinplatz »kreative Freiheit« allzu oft dafür missbraucht wird, um Kritik pauschal abzuwehren:

Wie einen Gegenstand aufgrund seiner angeblichen Schaffenskraft von Widerspruch ausnehmen, wenn der Kern der Kritik doch gerade der Hinweis auf das unreflektierte Wiederholen längst etablierter Muster ist?

Clash of Realities 2015

Im November stießen in Köln mal wieder Realitäten aufeinander. Im Rahmen des Film & Games Summit des Clash of Realities habe ich einen Vortrag über »Acting Storyworlds« gehalten:

Since their early beginnings, video games made use of rudimentary storyworlds to provide orientation and goals to the players. With growing technical possibilities, this narrative worlds get ever more detailed and move from the periphery to the center of games. Where the actions of the players can get in conflict with a character- or plot-driven story, storyworlds allow freedom of action while avoiding ludonarrative dissonance. An increasing number of video games go so for as to lay their focus completely on „diegetic machine acts“ (Alexander R. Galloway). The players become visitors of autonomous worlds and are invited to be present in rich spatial narratives and atmospheres. The talk wants to give a brief historic summary of this development of storyworlds in video games and provides a theoretical basis for describing them.

Im Anschluss fand ein Panel statt, in dem ich mit Csongor Baranyai, Johannes Kristmann und Emmanuel Guardiola über Storywelten in Film und Computerspiel diskutiert habe:

ZEIT ONLINE – The Beginners Guide

Für ZEIT ONLINE schrieb ich über Davey Wredens autobiografisches Experiment The Beginner’s Guide:

The Beginner’s Guide zeigt, wie Spielregeln und Level-Architekturen genutzt werden können, um Figuren zu charakterisieren und die Persönlichkeit ihrer Schöpfer sichtbar werden zu lassen. Aber es ist auch eine Parabel darauf, wie Deutungsmacht zum zerstörerischen Selbstzweck wird. Wo sich Kreative in ihrem Werk persönlich offenbaren, machen sie sich verletzbar. Der fiktive Wreden des Spiels macht mit Coda, was seine Fans und Kritiker mit dem realen Wreden gemacht haben: Der Schöpfer verliert die Deutungshoheit über seine Schöpfung.

B3 Biennale

In Frankfurt am Main fand in diesem Jahr zum zweiten mal die B3 Biennale des bewegten Bildes statt. Man beachte vor allem meine wirklich kurze Kurzbiografie: »Medienwissenschaftler«. Hier wird nicht lange gefackelt. Eingeladen wurde ich als Diskutant und Keynote-Speaker zum ziemlich sperrigen Thema »Was ist das Wesen, was ist der Kern, was ist die Faszination der Bewegtbild-Medien Game und Film? Was können sich andere Branchen davon abschauen?«. Am Ende war ich dann doch etwas verloren, weil sich zumindest der Interessenkern der Initiatoren und Mitdiskutanten schnell ausmachen ließ: Geld.

Vorband – Rose Tyler

Wo wir schon bei Geld sind: Mit diesem Wissenschafts- und Kulturvermittlungs-Quatsch werde ich voraussichtlich nicht reich. Daher fahre ich seit langem zweigleisig und pushe fleißig meine Career als Actor. Für meinen guten Freund Martin Spieß und sein Solo-Projekt Vorband durfte ich für ein Musikvideo in meine bislang anspruchsvollste Rolle schlüpfen und aus dem Vollen des Method Actings schöpfen:

Ab jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis ich für die nächste, große Bibel-Verfilmung gecasted werde:

Generation Games

Das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes veranstaltete nun schon zum dritten mal die Konferenz Generation Game mit dem Slogan »Reden wir endlich über Spiele« statt. Dieses im Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe. Ich war – wie üblich – für ein wenig Kulturkritik zuständig und habe die Gäste der Veranstaltung auf die möglichen Gefahren der Gamification aufmerksam gemacht und zur Alphabetisierung mit prozeduraler Rhetorik gemahnt. Anschließend wurde diskutiert:

Elektrischer Reporter – Episodengames

Yay, Fernsehen! Dem elektrischen Reporter habe ich ein paar Fragen zu episodischen Computerspielen beantwortet:

ZEIT ONLINE – Gleitmedium Computerspiel

Für ZEIT ONLINE schrieb ich darüber, dass Computerspiele längst noch nicht das Leitmedium sind, dass sie gerne sein wollen:

Computerspiele sind ein Mittel, um die Präsenz in und den Einfluss auf komplexe Regelsysteme zu kommunizieren. Eigentlich ideal für die Herausforderungen einer digital vernetzen Menschheit. „Heute kann das Massenpublikum als kreative, teilhabende Kraft eingesetzt werden“, schreibt McLuhan, „aber man setzt ihm Fertigprodukte zur passiven Unterhaltung vor.“ Anders gesagt: Damit digitale Spiele zum Leitmedium des 21. Jahrhunderts werden, müssen sie zunächst das 20. Jahrhundert hinter sich lassen.

Play15

Nach meinem ersten Besuch auf dem PLAY-Festival, bedauere ich es, nicht auch schon in den letzten Jahren mit dabei gewesen zu sein. Die PLAY15 war ein großer Spaß! Ich war eingeladen um einen Workshop über die verschiedenen Zugänge zu Computerspielen zu halten. »Wahrnehmen oder Handeln?«:

Computerspielen versetzt Spieler*innen oft in einen Flow-Zustand. Wenn die Balance zwischen Herausforderung und Langeweile perfekt gehalten wird, bleibt die Immersion in die digitale Welt bestehen. Die Spielenden gehen im Takt des Spiels auf. Doch was geschieht, wenn sie sich dem Sog der Interaktion widersetzen, wenn sie wahrnehmen statt handeln? Durch die virtuelle Umgebung spazierend, erscheint ein Spiel wie Grand Theft Auto plötzlich in einem ganz anderen Licht. Der Kulturwissenschaftler Christian Huberts geht in diesem Workshop der Frage nach, für welche Form des Spielerlebens die Begriffe Atmosphäre und Flow stehen.

PLAY ConferenceWorkshop "Wahrnehmen oder Handeln?" mit Christian Huberts

Gepostet von PLAY – Creative Gaming Festival am Freitag, 18. September 2015

Anschließend wurde ich kurz zu meinen Thesen interviewed und war zu Gast in der PLAY Show mit dem Thema »Mit Gefühlen spielen«:

PLAY REDENChristian Huberts spricht über Atmosphäre in und beim Spielen #PLAYShow

Gepostet von PLAY – Creative Gaming Festival am Freitag, 18. September 2015

Spielung: Krieg im Spiel und im Film

Noch bis Januar nächsten Jahres läuft die Sonderausstellung Film und Games im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt am Main. Ein Besuch lohnt sich! Ich war kurz dort, um eine Spielung der Stiftung Digitale Spielkutur zu moderieren. Zusammen mit dem Game-Designer Jörg Friedrich sowie den FIlmwissenschaftlern Marcus Stiglegger und Andreas Rauscher wurden sowohl der Film Apocalypse Now als auch das Spiel Spec Ops: The Line in Auszügen vorgespielt und anschließend miteinander verglichen. Das Thema: »Faszination des Grauens. Die Ästhetik des Krieges im Film und im digitalen Spiel.« Da die Veranstaltung live gestreamed wurde ist sie vollständig auf Vimeo verfügbar:

Puls/Zündfunk – Walking-Simulatoren

Depublikation ist Scheiße! Daher kann ich nur sehr grob in die Richtung eines Radio-Beitrags über so genannte Walking-Simulatoren deuten, in dem ich mit ein paar O-Tönen vertreten bin. Der Bericht lief sowohl bei PULS als auch im Zündfunk des Bayrischen Rundfunks. Dank öffentlich-rechtlichem Wahnsinn ist jedoch nur noch die PULS-Version – gut versteckt und nicht [Edit: Doch! Ohh!] einzubetten – hier nachzuhören.

tagesschau.de – Was hat sich seit #Gamergate getan?

Tagesschau.de wollte etwas zu #GamerGate machen [Edit: leider depubliziert] und hat sich unter anderem bei mir O-Töne abgeholt. Der Artikel ist solala geworden aber bekloppte Twitter-Mentions von Gater-Randos gabs natürlich dennoch.

Eigentlich sollten Gamer glücklich sein. Sie sind endlich akzeptiert, kulturell und gesellschaftlich. Die Diskussion um #Gamergate führt genau in die andere Richtung. Die meisten Kritikpunkte haben sich mittlerweile erledigt. Manche Games haben sich zusammen mit den Gamern weiterentwickelt. Huberts meint, dass allein der mobile Markt viele neue Gamer in den Markt gebracht hat. „Der Markt und die Bedürfnisse des Markts ändern sich“, sagt er. Allerdings seien viele Spiele in seinen Augen noch nicht konsequent genug umgesetzt. Die Spiele werden immer unterschiedlicher, die Spieler auch. Eine breite, öffentliche Diskussion kann nicht schaden.

ZEIT ONLINE – Saftladen

Für ZEIT ONLINE schrieb ich über das berliner Indie-Kollektiv Saftladen:

„Wir haben alle Bock darauf, nicht nur einfach starr auf das eigene Computerspiel zu blicken, sondern auch das gesamte Medium weiterzubringen“, sagt Djemili. Die Arbeit im Kollektiv ist ein idealer Inkubator für neue Ideen. Das Risiko ist auf viele Schultern verteilt und das kritische Feedback nur einen Schreibtisch weit entfernt. Wo in großen Teilen der Gaming-Branche gerne auf Bewährtes gesetzt wird, ist der Indie-Bereich längst zum experimentellen Hoffnungsträger geworden.

gamescom 2015

Die gamescom 2015 war mal wieder ein Klassentreffen der Buzzwords (daher auch das WASD-Buzzword-Bingo). Aber zumindest konnte man wieder definitiv feststellen, dass »Computerspiele nun endlich erwachsen geworden sind« und »Virtual Reality sicher das nächste große Ding wird«:

Neben einem kurzen O-Ton bei der Süddeutschen Zeitung, würde ich gerne noch auf ein paar Radiobeiträge verweisen, in denen ich schlaue Dinge über die kulturelle Bedeutung von Computerspielen sage. Die sind aber leider schon depubliziert. Vielen Dank auch.

Der eigentliche Grund für meinen Ausflug nach Köln war jedoch der gamescom congress. Hier saß ich in zwei Panels, deren Titel der Mutterveranstaltung in Sachen Buzzwords in nichts nachstanden: »Mit digitalen Spielen vom Ausspiel-Kanal zur echten Medienkonvergenz: Games go Literatur, go Journalism, go Games« und »Games in der Post-Moderne: die neue Aufklärung, das neue Leitmedium in einer hochkomplexen, globalisierten Welt?«. 30 Minuten. Diskutieren. Jetzt!

The End?

Nö.

Ich wünsche allen meinen Freunden, Kollegen und Auftraggebern schöne Feiertage und einen guten und erfolgreichen Übergang in das Jahr 2016. Wir sehen uns bestimmt wieder!