Zwischen|Welten: Atmosphären im Computerspiel
Meine größte Errungenschaft von 2014 ist wohl der Game-Studies-Sammelband, den ich zusammen mit Freund und Kollege Sebastian Standke im August veröffentlicht habe. Beim Podcast Insert Moin haben wir kürzlich auf superinvestigative Fragen zu »Zwischen|Welten« geantwortet:
Der Games-Studies-Sammelband will sich wissenschaftlich den Fragen annähern, was eigentlich Atmosphäre in digitalen Welten ausmacht und wie sie entsteht. Im Cast erklären Sebastian und Christian, wie die Idee zu Zwischen|Welten entstand, was man eigentlich als Herausgeber von Wissenschaftsliteratur macht und was sie mit ihrem Buch erreichen möchten.
Hier kann man sich den Podcast direkt anhören und bei Gefallen den Jungs von Insert Moin ordentlich Geld bei Patreon zuwerfen:
New Level – Computerspiele und Literatur
Auch zur zweiten, coolen Veröffentlichung von 2014, dem Sammelband »New Level – Computerspiele und Literatur«, zu dem ich mit meinem Text »Computerspiele lesen« beigetragen habe, gibt es neue Rezensionen. Auf Superlevel schreibt Sebastian Standke:
Insbesondere Christian Huberts und Christian Schiffer verstehen es, in ihren Texten ‚Computerspiele lesen‘ (Huberts) und ‚Erdbeeren oder Gnocchetti? Wie Computerspiele Geschichten erzählen‘ (Schiffer) auf die unterschiedliche Medialität von Computerspielen und Büchern einzugehen. Sie erklären diese prägnant – mal mit einem schärferen, mal mit einem humorvollen Unterton – und zugleich auch für ein fachfremdes Publikum verständlich, ohne aber jemals in einen Modus der Boshaftigkeit oder der Bewertung hinüberzuwechseln.
Und bei FM4 schreibt Robert Glashüttner:
Was neben den zwei Interviews das Buch aufwertet, sind die Texte der Computerspiel- und Literaturkenner Peter Glaser, Christian Huberts und Christian Schiffer […]. Für spielinteressierte Menschen ist ‚New Level‘ durchschnittlich interessant. Wer seinen intellektuellen (Groß)Eltern aber immer schon mal klug und zugänglich näher bringen wollte, womit man sich selbst schon seit vielen Jahren so intensiv beschäftigt, die oder der hat hiermit eine weitere gute Idee für ein Weihnachtsgeschenk.
GA Hochschule
Seit Mitte Oktober bin ich freier Dozent an der GA Hochschule der digitalen Gesellschaft, führe angehende Digital Artists und Game Designer in das wissenschaftliche Arbeiten ein, unterrichte Game Studies und Dramaturgie in Computerspielen sowie vermittle Theorien des Spiels aus angrenzenden Fachbereichen wie etwa der Kriegsführung und der Philosophie. Es ist sehr angenehm, mit Studenten zu arbeiten, denen man die Relevanz von Computerspielen und die Kulturtechnik des Computerspielens nicht erst grundlegend erklären muss. Ein großer Spaß und ich freue mich auf kommende Semester!
Zweiter Branchentreff der freien darstellenden Künste
Ende Oktober hat mich das Performing Arts Programm Berlin zum zweiten Branchentreff der freien darstellenden Künste eingeladen. Zusammen mit Moderator Max Schuhmacher, Christiane Hütter, Ulf Otto, Philip Steimel, Ini Dill und Robert Hartmann habe ich zur Frage »Nur im Spiel ist der Mensch frei?« diskutiert:
Computer-, Brett- und andere Spiele als Vorlage, Hintergrund und Motor bei zeitgenössischen Performances?
Die Rederei – Games
Das Berliner Comedy-Folk-Duo Das Niveau hat mich im November in ihre YouTube-Sendung »Die Rederei« eingeladen. Es wurde getrunken, musiziert und über Computerspiele geredet:
Politik im Freien Theater
Wie schon beim HistoryCampus Berlin im Mai diesen Jahres, habe ich im November einen Game-Design-Workshop der Bundeszentrale für politische Bildung im Rahmen des 9. Festival »Politik im Freien Theater« inhaltlich unterstützt. Diesmal ging es darum, Kindern und Jugendlichen das Thema »Freiheit und Überwachung« näherzubringen und mit Hilfe der Game-Engine Unity spielerisch – anhand eigener Computerspiel-Prototypen – zu reflektieren. Als thematische Einführung diente dabei ein Vortrag von mir, den es auf spielbar.de auch in verschriftlicher Form zu lesen gibt:
Freiheit – das ist wohl einer der Begriffe, die am häufigsten mit Spielen in Verbindung gebracht werden. Nach einem bekannten Zitat von Friedrich Schiller, sind wir nur dort ganz ungezwungen Mensch, wo wir spielen. Aber was so selbstverständlich klingt, wird schnell widersprüchlich. Spiele haben Regeln. Sind wir noch frei, wenn wir verbindlichen Regeln folgen? Spiele haben ein Ziel. Sind wir noch frei, wenn wir ein fremdes Ziel annehmen? Und wo soll überhaupt die Grenze verlaufen zwischen den Zwängen des Alltags und der Freiheit des Spielens?
WASD #6
Anfang Dezember ist die mittlerweile sechste Ausgabe des Gameskultur-Magazins »WASD« erschienen, diesmal zum Thema »Rewind Retro – Neue Gedanken zu alten Spielen«. Für unentschlossene gibt es die dritte Ausgabe des »WASD-Talk«:
Ich bin diesmal – neben einer Kindheitserinnerung an den fiesen SADDAM-Virus – mit einem Text zur Rückwärtsgewandtheit von Computerspielen dabei. Meine steile These ist, dass wir immer Retro-Games spielen, weil die Vergangenheit des Mediums nie wirklich verlassen wurde:
Dass unter den Spielenden dennoch das Gefühl stetiger Progression vorherrscht, hängt damit zusammen, dass es Computerspielen an Geschichte mangelt. Anders als in älteren Medien, fehlen den digitalen Spielen die großen Revolutionen, Umbrüche und – man entschuldige das Wortspiel – game changer. Die Literatur hat tausende Jahre des kontinuierlichen Wandels hinter sich. Jede Literaturepoche definierte neu, was Literatur ist und was sie leisten kann oder soll. Ein Ende der Neudefinitionen ist nicht in Sicht. Selbst der vergleichsweise jugendliche Film kann bereits auf einige tiefgreifende Veränderungen in seiner Historie zurückblicken – besonders abseits rein technischer Innovationen. Das Computerspiel scheint ebenso schon immer da gewesen zu sein, schließlich sind die meisten Spielenden damit aufgewachsen. Aber wenn wenige Jahrzehnte als Referenzrahmen für Fortschritt herhalten müssen, wird schnell klar, warum selbst kosmetische Updates als absolute Neuheit durchgehen können.
Tausend Tode schreiben
Die Verlegerin Christiane Frohmann hat ein ziemliches Mammutprojekt am Start: 1.000 Autoren sollen 1.000 kurze Texte über den Tod verfassen. »Tausend Tode schreiben« heißt das im Dezember veröffentlichte eBook und zumindest schon 135 Autoren sind an der ersten von vier geplanten Versionen beteiligt. Einer davon bin ich mit einem Text über den Permadeath und meine Begegnung mit einer toten Frau:
Die Flüchtigkeit des Todes im Computerspiel hat einen neuen Begriff notwendig gemacht: Permadeath. Der permanente Tod. Irgendwann in der Geschichte von Games, fingen Spielfiguren an, nicht wieder aufzustehen. Kein Continue. Kein 1-Up. Keine Phönixfeder. Kein Leben nach dem Tod. Das finale Ableben von Aerith aus Final Fantasy VII hat sich besonders tief in das popkulturelle Gedächtnis eingebrannt. In der Mitte des Spiels wird sie überraschend von Sephiroth ermordet und kann nicht wiederbelebt werden. Für die Spielenden ein Schock. Der Anekdote nach, versuchen auch 18 Jahre nach der Veröffentlichung noch immer Menschen, den Tod von Aerith zu vereiteln. Aber auch auf dem höchsten Level und mit der besten Ausrüstung lässt sich ihr Permadeath nicht aufhalten. Möglicherweise ist vielen Gamern bei dieser Erfahrung zum ersten Mal die wirkliche Tragweite des Todes bewusst geworden.
Next Level Conference
Ebenfalls Anfang Dezember war ich zum ersten Mal auf der Next Level Conference in Dortmund und ärgere mich jetzt, dass ich nicht schon in den letzten Jahren dort war. Eine tolle Veranstaltung mit vollgepacktem Programm in einer coolen Location. Ich war als Experte geladen und hatte eine spannende Diskussion mit Jan Drees und Katharina Tillmanns sowie Moderator Max von Malotki zum Thema »Handlungsspielräume – Erzählspielräume: Games in/als Erzählungen«:
Sind Computerspiele das Erzählmedium unserer Zeit? Welche Bedeutung hat die Erzählung bzw. ‚Story‘ überhaupt für das Spiel? Und welche Stärken und Schwächen bieten Games als Erzählmedien? Vielleicht adaptieren sie ja sogar literarische Stoffe? Anknüpfend an den vom internationalen Literaturfestival Berlin gestarteten Diskurs ‚New Level‘ werden Gemeinsamkeiten, Unterschiede aber auch Wechselwirkungen von Computerspielen und Literatur untersucht.
Thanks for Playing
Bereits vor über einem Jahr habe ich an der Ruhr-Universität Bochum den Vortrag »Beyond Control(ling) – Regelbruch, Kontrollverlust, Ilinx und der Ambience Act im Computerspiel« im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Thanks for Playing« gehalten. Neben dem Interview im Vorfeld steht seit kurzem auch das Vortragsvideo online:
#GamerGate
Und nun zu einer der Schattenseiten des Gamings! Die Stiftung Digitale Spielkultur hat mich darum gebeten, den aktuellen Kulturkampf um Computerspiele, so genannte »Gamer«, Ethik im Spiele-Journalismus sowie so genannte »Social Justice Warrior« für Laien prägnant zusammenzufassen und kulturwissenschaftlich einzuordnen:
Mit der wachsenden Heterogenität der Spielkultur, verändern sich die Themen sowie die gesellschaftliche Thematisierung von Computerspielen. Neben rein technischen oder spielerischen Aspekten, kreisen aktuelle Diskurse beispielsweise um Rassismus, Homosexualität und Sexismus in Games und Gaming-Communities. Ein ‚harter Kern‘ der Spielenden reagiert zunehmend aggressiv auf diese Fortschritte, die ihre bislang exklusive Definitionsmacht über die Inhalte von Computerspielen bedroht.
Obwohl ich mich darum bemüht habe, möglichst sachlich und neutral zu bleiben, flogen mir – neben viel positivem Feedback und der diskursvernichtenden Kritik vom Almrausch – die üblichen #GamerHate-Rhetoriken auf Twitter um die Ohren:
SUBOTRON arcademy
Der letzte Vortrag für 2014 fand im Rahmen der SUBOTRON arcademy in Wien statt. Es ging mal wieder um die guten alten Atmosphären im Computerspiel:
Wenn Spielerfahrungen thematisiert werden, dann wird über Stimmungen gesprochen. Der Horror von Monstern im Dunklen, die Spannung eines Feuergefechts oder die Melancholie einer menschenleeren Landschaft – sowohl die ästhetischen Angebote von Computerspielen als auch das Vokabular zu ihrer Beschreibung sind reichhaltig. Und immer mehr digitale Spiele legen ihren Fokus auf die Erzeugung stimmungsvoller Situationen und lassen bewährte Regelmechaniken in den Hintergrund treten.
Den gesamten Vortrag mit der anschließenden Diskussion kann man sich mittlerweile auch online anhören:
Sind Computerspiele Kunst? / Wer erschafft die PC-Spiele der Zukunft?
Zuletzt sei noch auf zwei Expertenauftritte hingewiesen. In der TV-Sendung »artour« auf dem MDR habe ich Fragen zu den kulturellen und künstlerischen Möglichkeiten von Computerspielen beantwortet. In der Mediathek lässt sich der wirklich gelungene Beitrag nachschauen [Edit: leider depubliziert]. Außerdem war ich mal wieder beim Deutschlandradio Kultur zu Gast – diesmal in der Sendung »Studio 9« – und habe anlässlich des diesjährigen Deutschen Entwicklerpreises über die Innovationspotentiale der Branche geredet. Hier kann man das Gespräch nachhören [Edit: leider depubliziert].
…es lebe 2015!
Long story short: 2014 hat sich wirklich prima entwickelt und es spricht nichts dagegen, dass 2015 auch richtig klasse wird. Ich bedanke mich bei allen vertrauensvollen Auftraggebern, bei den Freunden und Kollegen, die mir tolle Jobs vermittelt haben sowie bei den fleißigen Organisator*innen vieler großartiger Veranstaltungen auf denen ich zu Gast sein durfte. Wenn im nächsten Jahr für irgendetwas ein freiberuflicher, mächtiger Kulturwissenschaftler benötigt wird… Ihr wisst, wie Ihr mich erreichen könnt!