In diesem Jahr jährt sich der Beginn des Ersten Weltkriegs zum hundertsten Mal. Aus diesem denkwürdigen Anlass hat die Bundeszentrale für politischen Bildung – in Kooperation mit der Körber-Stiftung und der Robert Bosch Stiftung sowie vielen weiteren Partnern und Sponsoren – das internationale Projekt Europe 14|14 ins Leben gerufen. Kern der Initiative ist der HistoryCampus, der vom 7. bis zum 11. Mai 2014 im Berliner Maxim Gorki Theater stattgefunden hat. Auf dem groß angelegten Festival setzten sich nahezu 500 Jungendliche aus ganz Europa in diversen Workshops, Ausstellungen, Konzerten und weiteren Aktivitäten mit der Bedeutung der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ für unsere Gegenwart auseinander. Ich habe als kulturwissenschaftlicher Referent beim Game-Design Workshop Gaming the Great War! mitgearbeitet:
Den Ersten Weltkrieg als Computerspiel denken und über Regelmechaniken erlebbar machen, das war das Ziel des Workshops »Gaming the Great War!«. Damit trugen die Veranstalter des HistoryCampus in vorbildlicher Weise der Tatsache Rechnung, dass digitale Spiele mittlerweile ein fester Bestandteil der Alltagskultur sind und damit großen Einfluss auf unsere Erinnerung an historische Ereignisse nehmen:
During this workshop one or more game prototypes will be developed making use of the plurality of genres and narrations games can provide to approach the historical reality of the Great War on different pathways. Games are part of today’s (popular) culture and also of our visual and virtual culture of remembrance.
Nach einer Begrüßung der Teilnehmer durch Arne Busse, dem Leiter des Fachbereichs »Zielgruppenspezifische Angebote« der Bundeszentrale für politischen Bildung, und einer kurzen Vorstellungsrunde, ging die Arbeit auch schon direkt los. Da ich mich schon in der Vergangenheit mit der Vermittlung von Geschichte in Computerspielen beschäftigt habe (z.B. im Sammelband Welt|Kriegs|Shooter), oblag mir die inhaltliche Einführung in Form eines 30-minütigen, englischsprachigen Vortrags. Dabei habe ich nicht einfach nur populäre Beispiele vorgestellt, die den Ersten Weltkrieg thematisieren – von Red Baron (1980) bis Valiant Hearts (2014) –, sondern ebenso die historischen Hintergründe von Computerspielen – von den taktischen Kriegsspielen der preußischen Armee (ca. 1824) bis zu den allerersten Spielen an auf analogen Computern – sowie aktuelle Entwicklungen in der Spielkultur angesprochen.
Im Anschluss hat Tobias Miller von Spielbar.de die Teilnehmenden des Workshops zu einem Brainstorming für die Ideenfindung angeleitet. Dabei haben sich schnell drei Gruppen mit sehr unterschiedlichen Spielkonzepten herauskristallisiert: Ein Angry Birds-Clon, der die harmlose Katapult-Action in den Terror der Materialschlachten überführt. Eine räumliche Familienerzählung, die den Beginn des Krieges in einem europäischen Dorf thematisiert. Und zuletzt ein stimmungsvoller Überlebenskampf, der – inspiriert von Computerspielen wie Amnesia: The Dark Descent – den Wahnsinn in den Schützengräben sinnlich erfahrbar machen möchte. Angesichts meines aktuellen Forschungsschwerpunkts, war es besonders spannend zu beobachten, wie selbstverständlich die Teilnehmenden ein abstraktes Konzept wie Atmosphäre in Leveldesign und Spielmechanik konkret umsetzen.
Um die Einführung in die Spiel-Engine Unity und die Betreuung der Teilnehmenden bei komplexerem Scripting kümmerte sich Christoph Graf, Fachbereichsleiter für Game Art, 3D Animation und Game Programming am SAE Institute Hamburg. Dabei war ich selbst ziemlich überrascht, wie schnell sich mit der kostenlosen Software ansehnliche Ergebnisse erzielen lassen. Während die Teilnehmenden fieberhaft an ihren Prototypen arbeiteten, habe ich Anregungen und Beratung zur Spielgestaltung gegeben und Besuchern sowie Vertretern der Presse kompetent Rede und Antwort zum Workshop gestanden.
Am Samstag, den 11. Mai 2014 fand schließlich die öffentliche Präsentation aller drei Prototypen statt. Angelockt durch lautstarke Granateinschläge, konnten sich neugierige Besucher selbst ein Bild von den Potentialen des Mediums und dem Schrecken des Ersten Weltkriegs machen. Insgesamt ein sehr erfolgreicher Abschluss des dreitägigen Workshops.
Matthias Uzunoff – Volontär bei der Bundeszentrale für politischen Bildung und verantwortlich für die Konzeption und Durchführung des Workshops – hat für Spielbar.de eine schöne Reportage [Edit: leider depubliziert] über die drei Tage »Gaming the Great War!« geschrieben:
Die insgesamt zwölf Teilnehmer kommen aus ganz Europa im alt-ehrwürdigen Eichensaal des Berliner Palais am Festungsgraben zusammen. Der Workshop-Saal ist mit handgeschnitzten Holzvertäfelungen verziert. Auf dem glänzenden Parkett sind drei Sitzgruppen um große Kunststoff-Tische arrangiert, an denen sich je ein Team zusammenfinden soll. Nach einer kurzen Kennenlern-Runde präsentiert Christian Huberts, Kulturwissenschaftler und Experte für Games mit historischem Bezug, was es bislang für Kriegsspiele zum ersten Weltkrieg gibt. Meist sind es einfache Ballerspiele, die über seine Präsentation flimmern. Dann sollen die Studenten ihre eigenen Spiel-Ideen entwerfen. Ob das gut geht?
Das von Teilnehmenden des HistoryCampus produzierte Europe 14|14-Sonderheft des politischen Jugendmagazins politikorange beinhaltet außerdem einen schönen Beitrag zum Game-Design Workshop – inklusive schlauer Zitate von mir:
„Games can help to understand other people’s mentality and their actions – and inspire people to reflect on their perspectives on World War I,“ Christian Huberts explains. „The workshop is a chance to create a new way of remembrance with which you can engage directly.“
Den ganzen Artikel und das komplette Magazin kann man bei Issuu oder direkt hier lesen:
Und wer nicht lesen möchte, kann sich auch die zugehörige Videoreportage über den HistoryCampus anschauen:
Selbstverständlich kann man zwei der drei Prototypen auch selbst ausprobieren [Edit: leider funktioniert der Download nicht mehr]. Viel Spaß!
- War against Insanity – Atmosphärischer Horror in den Schützengräben
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