Eine Kritik am Flow als Game-Design-Paradigma (Teaser)

Ich bewege mich durch einen Tunnel. Nein, genau genommen sind es zwei Tunnel. Der eine verläuft – in Ignoranz realer Frontlinien – schnurstracks durch Nazi-Deutschland. Der andere ist der Tunnel des so genannten „Flow“, der sich schnurstracks durch mein Bewusstsein zieht.

Nur noch wenige Tage, dann startet am 9. und 10. März die Tagung »flow aus spielen« im phæno in Wolfsburg! Ich werde selbst einen Vortrag über Flow als Game-Design-Paradigma halten, also schonmal diese „optimale Erfahrung“ im Terminkalender fett ankreuzen und hoffen, dass die Deutsche Bahn am Hauptbahnhof Wolfsburg anhält. Bis dahin gibt’s einen kleinen Teaser zu meinem Thema:

Ich bewege mich durch einen Tunnel. Nein, genau genommen sind es zwei Tunnel. Der eine verläuft – in Ignoranz realer Frontlinien – schnurstracks durch Nazi-Deutschland. Der andere ist der Tunnel des so genannten „Flow“, der sich schnurstracks durch mein Bewusstsein zieht. Beide ergänzen sich ziemlich gut. Während ich in dem einen Tunnel ganz auf mein Ziel – den nächsten Auslöser eines Scripts – konzentriert auf Nazis ballere, blendet der andere Tunnel bequem Zeit und lästige Nebengedanken aus und sorgt so für selige Stimmung beim Kopfschießen. Erst wenn der letzte Kraut in den Dreck der Seelower Höhen blutet, das Dauerfeuer verstummt und eine selbstablaufende Animations-Choreographie abgefahren wird, dringt jener Gedanke an die Oberfläche, der mich beim Spielen von Call of Duty: World at War (2008) unauffällig verfolgt hat: „Was mache ich hier eigentlich?“

Diese Frage betrifft nicht die Darstellung und Durchführung von virtueller Gewalt, nein, ein paar tote Nazi-Polygone gehen schon in Ordnung. Eher trägt die Frage der irritierenden Beobachtung Rechnung, dass ich seit Stunden die Rail-Shooter-Hardcore-Version der allseits beliebten Moorhuhnjagd (1999) spiele, ohne mir auch nur einen Gedanken darüber zu machen, wie abgrundtief sinnlos, unkreativ und stupide das Ganze im Grunde ist. World at War mag einer „optimal experience“ nahekommen, aber weder handelt es sich um ein revolutionäres Stück Software, noch verwandelt mich das Spiel in ein „more complex being“, wie es die Flow-Theorie in Aussicht stellt. Nein, ich war und bin ein einfacher Typ, der durch zwei Tunnel fließt und im Akkord die Mohrhühner der deutschen Wehrmacht abknallt, sobald sie aus ihrer Deckung hervorlugen. Ich bin die närrische Hauptattraktion im Flow-Zirkus der Computerspiele.

To be continued…

2 Kommentare

[…] Am 9. und 10. März 2012 fand im phæno in Wolfsburg die Tagung »flow aus_spielen« statt. Wie schon berichtet, war ich daran ebenfalls mit einer Kritik am Flow als Game-Design-Paradigma beteiligt. Seit Anfang Oktober ist nun der offizielle Tagungsband käuflich bei Amazon.de zu erwerben. Da ich beim Lektorat mitgeholfen habe, kenne ich alle Texte schon und kann ganz uneigennützig sagen, dass der Sammelband inhaltlich richtig stark geworden ist. Essays und wissenschaftliche Texte halten sich sehr schön die Waage und das Flow-Konzept wird umfangreich und aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln betrachtet. Hier ein paar weitere Informationen und einen Teaser (eine etwas ältere Vorschau gibt es hier): […]