Das WASD-Magazin #2 ist da! Nachdem mir bei der ersten Ausgabe zum Thema »Schlechte Spiele« schlicht nichts Gutes eingefallen ist, bin ich diesmal mit einem feinen Text zu »Games und Politik« an Bord. In meinem Artikel »(Spiel-)Weltanschauungen« geht es um Genozide, Imperialismus, Rassismus, Sexismus und die ureigene Ideologie digitaler Medien. Überhaupt ist die WASD #2 voll mit spannenden sowie abwechslungsreichen Texten und versammelt die Crème de la Crème der Computerspiel-SchreiberInnen. Krankte die No. 1 des Bookzines noch ein wenig am suboptimalen Lektorat und einer etwas zähen Homogenität der Textbeiträge, ist die aktuelle Ausgabe in jeder Beziehung empfehlenswert. Also zugreifen! Nun aber erstmal ein kleiner Teaser aus meinem Text:
Spielregeln erschaffen Spielwelten und damit stets auch (Spiel-)Weltanschauungen. Computerspiele können also gar nicht nicht politisch sein, weil ihnen immer Ideologie zugrunde liegt.
Die Mission „Oil Fix It“ von Fate of the World hätte eigentlich kein großes Problem werden dürfen. Man muss nur – mit genug Öl in der Reserve – bis zum Jahr 2080 durchhalten und weltweit den Lebensstandard auf ein solides Niveau bringen. Leider ist Indien dabei ein Flaschenhals. Die ökologischen, ökonomischen, sozialen und politischen Probleme des Landes lassen sich kaum in 60 Jahren lösen. Was in späteren, vermeintlich schwereren Missionen ein realistisches Ziel darstellt – schließlich hat man einige Jahrzehnte mehr Zeit dafür –, scheint mir hier fast unmöglich zu sein. Habe ich „unmöglich“ geschrieben? Nun, es gibt da eine recht simple Lösung: Einfach die „Gene-Plague Alpha“ auf den indischen Subkontinent loslassen und den Großteil seiner Bewohner damit ausrotten. Weil nun fast alle Inder tot sind, ist Umweltverschmutzung, Arbeitslosigkeit und Säuglingssterblichkeit kein großes Ding mehr. Der weltweite Lebensstandard steigt. Problem gelöst. Mission gewonnen.
Fate of the World mag ein Serious Game sein, der kalkulierte Genozid an der indischen Bevölkerung erinnert jedoch eher an ein Killerspiel. Die Entwickler von Red Redemption haben wohl versäumt, den komplexen globalen Algorithmus ihres Spiels auf die kurze Dauer der zweiten Mission ihres Spiels anzupassen. Denn die Agenda von Fate of the World ist eigentlich eine andere: Auf die Problematik des Klimawandels und mögliche Lösungsstrategien aufmerksam machen – mit allen ökologischen Fallstricken und weltpolitischen Sackgassen. Dabei liefert das Spiel keine objektive Sicht auf unsere Welt, sondern stützt sich auf die Forschungsergebnisse des Oxford-Professors Myles Allen. Sein wissenschaftliches Weltbild ist es, das wir als abstrahiertes, algorithmisches System vorgesetzt bekommen und spielerisch konfigurieren müssen. Andere Meinungen zur Existenz oder den Folgen des Klimawandels stehen erst gar nicht zur Debatte. Spielregeln sind Ideologie, um so mehr, wenn man sie mit realweltlichem Inhalt ausschmückt. Doch in der Verknappung von Spielvariablen und Erfolgsbedingungen wird aus harmloser prozeduraler Rhetorik – wie der Medienwissenschaftler Ian Bogost die Überzeugungsstrategien des Computerspiels nennt – schnell eine ideologische Weltanschauung, die auch einen Genozid duldet. […]
Den gesamten Artikel gibt es als Leseprobe bei issuu (ab Seite 62 bzw. 100 in der Zählung des Originals):
2 Kommentare
[…] des Bookzines [Edit: leider nicht mehr verfügbar]). Nachdem ich in der zweiten Ausgabe über »(Spiel-)Weltanschauungen« geschrieben habe, geht es diesmal um richtig schlechte Adventures, einen glücklichen Sisyphus und […]
[…] des WASD-Magazins habe ich dazu – im Kontext von Rassismus und Klassismus – ausführlicher geschrieben. Hier nur soviel: Das Gefährliche an einer prozeduralen, spielstrukturellen Ideologie ist, dass […]