„This is how you end a war, Chernov.“ (Teaser)

Das Ende des Krieges in Call of Duty: World at War

Als wäre die Tagung »flow aus spielen« nicht schon episch genug, ist nun auch noch ein fetter Sammelband – Mitherausgeber: Yours Truly – im Verlag Werner Hülsbusch erschienen. „War, what is it good for?“ Nun, um darüber zu schreiben natürlich, in »Welt|Kriegs|Shooter – Computerspiele als realistische Erinnerungsmedien?«. Zu kaufen gibt es das feine Stück entweder direkt im vwh-Shop oder bei Amazon.de. Und weil ich nicht nur ein feiner Mitherausgeber bin, sondern ebenfalls ein passabler Autor, habe ich selbst einen Essay namens »„This is how you end a war, Chernov.“ – Das Ende des Krieges in Call of Duty: World at War« beigesteuert. Einen kleinen Teaser davon gibt es nun hier:

Welt|Kriegs|Shooter: Computerspiele als realistische Erinnerungsmedien?
Appel, Daniel; Huberts, Christian; Raupach, Tim;
Standke, Sebastian (Hrsg.) (2012) Welt|Kriegs|Shooter:
Computerspiele als realistische Erinnerungsmedien?
Boizenburg: Verlag Werner Hülsbusch. ⇱ Inhaltsverzeichnis

Es ist die letzte Mission von Call of Duty: World at War (2008) und ich stehe mit der sowjetischen Flagge in der Hand auf dem Dach des deutschen Reichstags. Am 30. April 1945 bin ich kurz davor, den 2. Weltkrieg symbolisch zu beenden, als mir ein unverbesserlicher Nazi noch eine letzte Kugel verpasst. Nicht, dass ich daran etwas hätte ändern können, der Schuss war vorprogrammiert. Aber nun krieche ich mit der Fahne langsam voran, während geskriptete Sequenzen ihren Lauf nehmen und die Stalinorgel aus den Lautsprechern dröhnt. Bis zu diesem Moment war der Weltkriegsshooter Call of Duty: World at War ziemliches Mittelmaß. Besonders die Pazifikkampagne auf Seite der Amerikaner glänzt durch austauschbare Charaktere und platte Heldenmoral. Was in Europa die „kuschelig warmen und moralisch abgesicherten Bunker der Normandie“ (Huberts 2010, 136) sind, ist für den Pazifik eben der mit suizidalen Japanern gespickte Dschungel. Hier wie dort keine Überraschungen, einfach nur „The Good War“ (vgl. Terkel 1984). In der russischen Kampagne stellt sich das Spiel ungleich spannender dar. Wohl auch, weil hier nicht mehr auf die Befindlichkeiten verehrter US-Veteranen geachtet werden muss. Bei den Sowjets konnten sich die Entwickler voll ausleben, sich geradezu grotesk in Klischees wälzen und Kriegsverbrechen für das Computerspiel salonfähig machen. Die „war-porn story of good and evil“ (Bissell 2011, 37) verliert auf Seite der Russen das eindeutige ‚Gut‘ und ‚Böse‘ und kann sich ganz der Übertreibung hingeben. Spielmechanisch ändert sich natürlich nichts. Call of Duty: World at War bleibt in seinem Kern ein einfacher Shooter. Und jetzt, angeschossen und kriechend auf dem Dach des Reichstags, schreit mir das Spiel, in Gestalt von Sergeant Viktor Reznov, genau diese Wahrheit episch, überdreht und/oder selbstironisch mitten ins Gesicht. Andere Weltkriegsshooter tun sich da viel schwerer. So bemüht sich Brothers in Arms: Hell’s Highway (2008) über die ganze Spieldauer darum, Empathie für seine Charaktere zu erzeugen und die schweren Opfer des Krieges in Frage zu stellen, nur um dann ganz am Ende in kriegstreiberische Heuchelei zu verfallen. Aber nicht so Call of Duty: World at War. In erfrischender Ehrlichkeit und Offenheit, kurz vor dem Ende des Krieges, gesteht uns das Spiel, warum der Krieg schon von Anfang an am Ende war:

„You can make it, my friend. You always survive.“

Bibliografie

  • Bissell, Tom (2011) Extra Lives. Why Video Games Matter. New York: Vintage.
  • Huberts, Christian (2010) Raumtemperatur. Marshall McLuhans Kategorien »heiß« und »kalt« im Computerspiel. Göttingen: Blumenkamp.
  • Terkel, Studs (1984) The good war: an American oral history of World War II. New York: Pantheon.