Sex, der:

Voraussetzung für guten Sex ist Fantasie. Sex im Computerspiel verlangt nach mechanischen Eingaben. Die Bewegung eines Steuerknüppels mit Sex in Verbindung zu bringen, ist selbst mit viel Fantasie kaum möglich. Sex im Computerspiel ist bloßer Akt. Mechanik. Schlechter Sex.

FAHRENHEIT ist mutig, keine Frage. Wenn sich die Polizistin Carla mit ihrem Nachbar Tommy trifft, denkt man zunächst an ein romantisches Date bei Kerzenschein. Doch ein Paar Dialogoptionen später wird klar, Tommy ist schwul. Ein Gespräch über Liebesleid und Intoleranz in New York. Für ein Computerspiel äußerst reif. Homosexualität, ganz ohne Knarren, Klischees und Cross-Dressing. In solchen Momenten ist FAHRENHEIT großes Kino, wenn auch nicht besonders gutes Spiel. Abseits von Dialogen passen Computerspiel und Sexualität nicht gut zusammen. In einer anderen Szene bekommt Lucas Kane, vermeintlicher Mörder, Besuch von seiner Ex-Freundin. Es beginnt das beste Vorspiel der Videospiel-Geschichte. Vor allem, weil es auf so viele Weisen scheitern kann. Ist Lucas zu aggressiv, macht Vorwürfe, ist sie ganz schnell weg und dem Spieler bleiben nur noch die TV-Berichte über seinen Mord. Ist Lucas zu sentimental, zu offensichtlich bedürftig nach Zuneigung, öffnet sich ein ganzes Panoptikum tragischer Augenblicke. Mitleidige Blicke, gut gemeinte Wünsche zum Abschied und Küsse, die ins Leere gehen. Im schlimmsten Fall endet es mit einer Flasche Gin und vielen Schmerztabletten im Magen auf dem Küchenboden. Das ist große Tragik. Ganz mies wird es aber, will der Spieler zum Schuss kommen. Dann gibt es nur noch einen Weg und der ist immer gleich. Ungezwungene Gespräche, ein Glas Gin, ein paar angenehme Lügen, eine romantische Gitarrenperformance via Quick-Time-Event und ab in die Kiste, als wäre nie etwas gewesen. Trennung und Mord, einfach vergessen. Wie in einem sehr langatmigen Pornofilm. Transport zum Akt, aber bloß keine Vorbelastung oder Konsequenzen. Kein Leid, keine Zweifel, einfach nur noch Sex. Ficken. Und das verläuft genauso wie in jedem anderen Computerspiel. Das Interface signalisiert „Analog-Stick nach oben drücken“, der Spieler drückt den Analogstick nach oben, aus den Lautsprechern kommt ein Stöhnen und der Bildschirm zeigt ein Pärchen in Missionarsstellung. Dazu kanadischer Kuschel-Rock. Rein audiovisuell würde es für einen Softporno reichen, aber spielerisch steht FAHRENHEIT in Ahnenreihe mit pubertären Sex- Computerspielchen der 8Bit-Ära. Vor und zurück, rein und raus, bis es endlich vorbei ist. Weigert sich der Spieler zu handeln, läuft die Szene, vom fehlenden Stöhnen einmal abgesehen, haargenau gleich ab. Nichts verändert sich. Was könnte langweiliger sein beim Sex, als das man dabei gar keinen Einfluss nimmt, alles vollkommen gleichgültig bleibt, ohne Fantasie? Selbst das Scheitern des Aktes ist keine Option mehr. Zugespitzt wird das nur noch dann, wenn der Spieler in der Rolle von Carla mit Lucas Sex hat. Dann weicht das kleine bisschen männlicher Aktivität vollkommener weiblicher Passivität. FAHRENHEIT wird ganz zum Softporno. Aber darüber kann sich die Gender-Theorie Gedanken machen. Für den Spieler ist es einfach nur fürchterlich schlechter Sex.

FAHRENHEIT ist eine Mischung aus Adventure und interaktivem Film. Während Gameplay und Story größtenteils Maßstäbe setzen, scheitert das Spiel an diversen Verschwörungen, hanebüchenen Kung-Fu-Kämpfen und schlechtem Sex. Weitere Impressionen findest du hier.

(Ursprünglich erschienen auf subpool.de)