Es läuft mal wieder prima mit den regelmäßigen Updates, sorry. Aber in den letzten vier Monaten ist wieder so viel Neues und Seltsames passiert – im persönlich Guten wie weltpolitisch Schlechten –, dass einfach nicht Zeit und Kopf dafür da war. Auch ab Mai 2025 wird es nicht besser werden, weil dann gleich zwei neue Projekte anstehen, stay tuned!
Aber nun kurz und knapp zu den vielen Dingen, die ich seit Jahresbeginn so getrieben und produziert habe…
Branchendialog »Barrierefreiheit im Gaming«
Auf Einladung des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz habe ich am 13. Januar 2025 an einem Branchendialog darüber teilgenommen, wie sich digitale Spiele barriereärmer gestalten lassen.
Erinnerungskultur, Antisemitismus und Verschwörungen in Games
Auch wenn ich rechtsextreme Tendenzen nach wie vor für das größere Problem innerhalb der Spielekultur halte, gibt es auch in anderen politischen Nischen und selbst im kulturellen Mainstream problematische Aspekte.
Für die Sendung Corso im Deutschlandfunk habe ich über ein erfolgreich crowdfinanziertes Game gesprochen, das sich vordergründig als poetische Erzählung über die so genannte Nakba gibt, jedoch im bisher veröffentlichten Material durchaus israelbezogenen Antisemitismus vermuten lässt:
Für die Bundeszentrale für politische Bildung habe ich einen umfassenderen Blick auf den Umgang von Games mit Verschwörungen geworfen.
Tempelritter, dämonische Wesen und Geheimdienste gehören zum Standardrepertoire der Hintergrundgeschichten digitaler Spiele. Grund dafür ist jedoch nicht allein die Popularität von Verschwörungserzählungen. Um die Grenzen der Handlungsfreiheit in Games zu plausibilisieren, bieten sich Erzählungen von Gedankenkontrolle und konspirativen Mächten in besonderer Weise an. Dabei werden bewusst und unbewusst auch immer wieder antisemitische Narrative reproduziert.
Um die Vorstellung einer Visual Novel über das Leben des Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer mit einem Workshop und einem Vortrag zu begleiten, war am 6. Februar 2025 am Max Mannheimer Studienzentrum in Dachau zu Gast. Die Süddeutsche Zeitung hat über das Spielprojekt geschrieben.
Am 7. März 2025 wurde ich zudem auf die monatlich in Berlin stattfindende Mahnwache gegen jeden Antisemitismus eingeladen, um in einer Ansprache über Antisemitismus und Gegeninitiativen in der Spielekultur zu berichten.
Die Tragetaschentheorie der Computerspiele
Vor wenigen Jahren habe ich (reichlich spät) das Werk von Ursula K. Le Guin für mich entdeckt. Insbesondere auch ihre vielen Essays über ihr eigenes Schaffen. Und ich habe nur nach einem passenden Anlass gesucht, um eine ihrer Theorien über das Erzählen an digitale Spiele anzulegen. Mit dem JRPG Metaphor: ReFantazio und einer anstehenden Bundestagswahl war es dann endlich soweit. Für 54books habe ich meine Gedanken zu »Life Stories« und »Killer Stories« festgehalten.
Le Guin baut ihre Tragetaschentheorie des Erzählens auf der anthropologischen Prämisse auf, dass nicht die Jagd das Überleben des frühen Menschen gesichert hat, sondern das Sammeln. Nicht eine Waffe ist die entscheidende Technologie für menschliche Zivilisation, sondern ein Behälter. Dass es jedoch oft andersherum scheint, hängt maßgeblich damit zusammen, dass es schlicht einfacher ist, packende Geschichten über die Jagd zu erzählen. »It is hard to tell a really gripping tale«, räumt die Autorin selbst in ihrem Essay ein, »of how I wrested a wild-oat seed from its husk […]«. Und auch Metaphor: ReFantazio gibt sich dieser Mühe letztlich geschlagen. Am Boden der 130 Stunden großen Tragetasche liegt durchaus viel wilder Hafer, aber der Rest ist gefüllt mit einer anderen Geschichte. »[T]he story the mammoth hunters told about bashing, thrusting, raping, killing, about the Hero«, so Le Guin. »The killer story«.
OK COOL
Auch bei OK COOL war ich erneut zu Gast und habe mit Dom Schott kritisch auf das Civilization-Franchise geblickt.
Seit den frühen 1990-ern fordern uns die Civilization-Spiele dazu heraus, eine Zivilisation unserer Wahl durch die Menschheitsgeschichte bis zu den Sternen zu führen. Der neuste, siebte Teil ist nun ganz frisch erschienen und hat an diesem Spielprinzip einige Veränderungen vorgenommen – von grundlegenden Mechaniken bis zur Präsentation der unterschiedlichsten Kulturen selbst.
Diesen (umstrittenen) Release nahm Dom Schott zum Anlass, gemeinsam mit dem Kulturwissenschaftler Christian Huberts die ganz große Lupe an dieses traditionsreiche Franchise zu setzen. Welches Bild zeichnen die Civilization-Spiele von unserer Gesellschaft? Welche Rolle spielen Barbaren, indigene Kulturen, Nazis und die Wissenschaft? Und wie haben sich all diese Dinge im Laufe der Jahre in den Civ-Spielen verändert? Fragen über Fragen, aber das Duo hat Antworten und einige spannende Beobachtungen mitgebracht.
Popkulturfunk
Die ZDF-Redakteurin und ehemalige WASD-Mitautorin Valentina Hirsch betreibt als feines Privatprojekt den Podcast Popkulturfunk. Ich durfte über meine großen und kleinen Abenteuer erzählen.
Abenteuerlich kann heute vieles sein: Der Verkehr am Frankfurter Kreuz oder eine Achterbahnfahrt mit dem Hulk Rollercoaster, ein Action-Adventure auf der warmen Couch oder Surfen in den arktisch-eisigen Wellen Islands. Von Mikro- bis Makro-Abenteuer ist in dieser Ausgabe alles dabei. Für ein solches Abenteuer ist man am besten zu zweit: Zu Gast ist diesmal der »mächtige Kulturwissenschaftler« Christian Huberts.
Gamification
BR-Redakteur und ehemaliger WASD(ED)-Herausgeber Christian Schiffer hat ein Radiofeature zu Gamification produziert und ich bin mit ein paar O-Tönen mit dabei.
Punkte sammeln, Level aufsteigen, Abzeichen gewinnen: Was in Computerspielen funktioniert, soll nun auch den Alltag optimieren. Doch die Übertragung von Spielemechaniken in die reale Welt hat ihren Preis. Ein Feature über Chancen und Risiken der Gamification-Gesellschaft.
The Darkest Files
Es muss ein neuer Rekord sein, denn so viel in so kurzer Zeit habe ich noch nie zu einem einzigen Spiel gesagt und geschrieben. The Darkest Files (2025) von Paintbucket Games ist schlicht ein super interessantes und relevantes Spiel geworden. Warum das so ist, konnte ich zunächst auf Zeit Online erklären.
Nazis im Computerspiel begegnet man üblicherweise über Kimme und Korn. Meist an den Stränden der Normandie. Manchmal auch auf einer geheimen Mondbasis. Im digitalen Spiel sind Nazis nicht der Nachbar oder die Großtante. Sie sind austauschbare Pappkameraden, abstrakte Miniaturen und bösartige Karikaturen. Spektakulär, unterhaltsam und mit angenehmer Distanz. Mit The Darkest Files ist nun ein Detektivspiel mit NS-Setting erschienen, das bewusst die Nähe zu den historischen Tätern sucht. Und die Nähe zu den Menschen, die sich der nationalsozialistischen Ideologie mit juristischen Mitteln widersetzt haben.
Anschließend auch noch einmal in der Sendung Kompressor im Deutschlandfunk Kultur.
Dann auch noch im Podcast Indie Fresse.
Ruhe im Saal! Ruhe im Saal! Die Anklage lautet: MAXIMALE BEFANGENHEIT.
Denn in dieser Folge Indie Fresse wird nicht einfach nur ein Spiel besprochen. Nein, es ist ein Spiel an dem einer unserer Podcaster frecherweise mitgearbeitet hat. Dennis hat am im neuen Paintbucket-Spiel The Darkest File mitgeschrieben und sogar eine der Figuren gesprochen.
Das Urteil: Schuldig! Das Games-Gericht beschließt: Hier muss mit Gast gepodcastet werden. Machen wir also! Christian Huberts hat sich intensiv mit The Darkest Files befasst und Dennis erzählt von seiner Erfahrung als Autor und Voice Actor.
Und zuletzt wieder bei OK COOL.
Das Detektivspiel »The Darkest Files« erzählt die Geschichte von Fritz Bauer und seinem Spezialteam, das in der jungen Bundesrepublik den NS-Verbrechen zum Ende des Zweiten Weltkriegs nachjagt – und wurde dafür in der Presse immer wieder als »wichtigstes Spiel des Jahres« beschrieben. Eine Auszeichnung, die bereits für das Debutspiel des Berliner Entwicklerstudios Paintbucket Games gezückt wurde, als die vor fünf Jahren »Through the Darkest of Times« veröffentlichten: ein Management-Strategiespiel, das sich um den zivilen Widerstand gegen das NS-Regime dreht.
Der Kulturwissenschaftler Christian Huberts hat sich mit Dom Schott The Darkest Files nun einmal genauer angesehen. Gemeinsam diskutieren sie über die Vereinbarkeit von Spielmechaniken und politischer Botschaft, analysieren die überraschend vielseitigen Spielsysteme und wägen ab, wie viel Gewicht ein solches Spiel in der politischen Landschaft tatsächlich haben kann.
Das war’s. Bis… bald! 👋