Nur ein Rückblick. Halbzeit 2015.

Science Slam

Trotz eher introvertierter Disposition kann ich auch Rampensau, wie sich am 4. Mai beim 42. Science Slam im berüchtigten SO36 in Berlin-Kreuzberg herausgestellt hat. Wie üblich präsentierte ich meine kruden Theorien dazu, wie sich Nicht-Spiele wie MOUNTAIN eben doch als Spiele verstehen lassen, ohne dabei die etablierten Definitionen völlig außen vor zu lassen. Und das dann auch noch unterhaltsam und leicht verständlich – gasp! – präsentiert:

Und weil das so viel Spaß gemacht hat, gab es am 9. Juli eine überarbeitete Definite-Edition des Slam-Vortrags beim 7. Battle den Horst in Berlin-Adlershof. Diesmal mit meinem neuen Killer-Zitat des französischen Philosophen Roger Caillois zum Thema »so tun als sei man ein Berg«:

Obwohl diese Behauptung paradox klingt, würde ich sagen, daß hier die Fiktion, also das Gefühl des als ob die Regel ersetzt und genau die gleiche Funktion erfüllt.

Roger Caillois (1960): Die Spiele und die Menschen. Maske und Rausch, S. 14

So sah das dann jeweils bei Twitter aus:

Generation Game

Am 10. Juli wurde in Berlin über Computerspiele diskutiert. Das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes rief die »Generation Game« aus und forderte: »Reden wir endlich über Spiele«. Ich war als Experte geladen und hielt einen kurzen Impulsvortrag darüber, wie gesellschaftliche Themen und Zusammenhänge bereits in digitalen Spielen verarbeitet werden und wie man dieses Wissen nutzen kann, um die Durchdringung der Gesellschaft mit Spielmechanismen mündig zu begleiten. Also ganz im Sinne der Prämisse der sehr gelungenen Veranstaltung:

Spiele sind auf dem Vormarsch, sie sind das Leitmedium der Zukunft. Spielmechanismen durchdringen mehr und mehr alle Bereiche der Gesellschaft, egal ob Wirtschaft, Politik, Stadtraum oder Bildung: Es findet eine Spielifizierung von Alltag, Arbeit und Freizeit statt. Immer mehr Anwendungen und Prozesse werden unter zur Hilfenahme von Spielelementen und den Erfahrungen von Game Designern gestaltet. Die Generation Game wird die Entwicklungen im 21. Jahrhundert maßgeblich prägen.

Generation Game Berlin
Foto: Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes, Fabian Brennecke

Die wollen nur spielen

Man kann über vieles diskutieren, ganz besonders über Kultur. Denn der Begriff ist ein Allgemeinplatz par ex­cel­lence und außerdem permanenten Veränderungsprozessen ausgesetzt. Um ihm überhaupt Bedeutung abzugewinnen, muss man sich miteinander einigen, was man eigentlich gerade meint, wenn man »Kultur« sagt. Und wenn nun Computerspiele einfach so zum »Kulturgut« werden – qua Beitritt in einen großen Kulturverband – sollte man fragen: Ok, was genau bedeutet es jetzt für uns, dass digitale Spiele exemplarischer Bestandteil unseres kulturellen Lebens sind? Und wie gehen wir mit den Veränderungen, der Kritik, den Stagnationen und den Definitionskämpfen um, denen Games dadurch unterworfen werden? In meiner Wahrnehmung scheint die Antwort recht häufig zu sein: »Nicht«. Oder genauer: »Nicht zu viel, läuft doch gerade eigentlich ganz OK«. Weil mir das zu wenig scheint und es mir schon länger unter den Nägeln brannte, schrieb ich für Zeit Online einen Artikel zur ungenügenden Auseinandersetzung mit dem Kulturgut Computerspiel:

Ob Arztsohn- und Sexismus-Debatten im Literaturbetrieb oder postkoloniale Diskurse im Theater – der Streit um Aufgaben, Potenziale und Versäumnisse von Kultur ist zentraler Teil des Selbstverständnisses anderer Kulturbereiche und Motor ihrer Kreativität. Das Aussitzen gesellschaftlicher Fragestellungen durch weite Teile der Spielkultur hingegen bremst kreatives Potenzial passiv aus und gibt sich mit Stillstand im Dienste einer positiven Selbstdarstellung zufrieden. Computerspiele sind weder erwachsen geworden noch in der Mitte der Gesellschaft angekommen, solange ihre Fans nicht gelassen mit kritischen Impulsen umgehen, die Branche den Status als Träger von Kultur in erster Linie zur Querfinanzierung und Imagepflege missbraucht sowie politische und wissenschaftliche Vertreter keine neuen Herausforderungen an das Medium formulieren können. Bis dahin wird einfach nur gespielt.

Und zum Glück gab es im Anschluss – neben den üblichen Missverständnissen und Schutzreflexen – viele spannende Diskussionen zu der Frage, was digitale Spiele sein sollen, was sie sein dürfen und was sie noch alles sein könnten. Gerade der – auch radikale – Blick auf die Entwicklungspotentiale von Games liegt mir besonders am Herzen…

WASD #7

Kein Rückblick ohne das aktuelle WASD-Magazin! Man muss es einfach lieben. Es sei denn man fühlt blinden Hass, wenn über Games nicht wie über Toaster geschrieben wird. 0% Produktwertungsspaß! Darum lautet das Thema von Ausgabe 7 auch »Liebe & Hass«. Wie immer gibt es eine ausführliche Leseprobe und einen begleitenden WASD-Talk #4: Ich habe zum Quantifizieren von Emotionen in Computerspielen geschrieben und warum das vielleicht nicht die beste Idee ist. Es geht also quasi um Liebe in Zeiten der Algebra [sic]. Da Zeit Online den Text zweitverwertet hat, kann man ihn online lesen und drei Herzen addieren:

Münzen kann man gut zählen. Patronen auch. Selbst Leben und Tod sind relativ einwandfrei zu quantifizieren. Eng wird es immer dann, wenn es sich um Phänomene handelt, die höchst individuell empfunden werden. Kunst zum Beispiel. Der deutsche Maler Josef Albers unterschied daher zwischen dem factual fact und dem actual fact. Denn wo die reine Farbe auf der Leinwand faktisch noch ganz eindeutig wahrnehmbar ist, kann sich die aktuelle Wahrnehmung des ganzen Bildes von Betrachter zu Betrachterin stark unterscheiden.

Game of Episodes

Mächtiger Kulturwissenschaftler im Radio (I): Mit dem DRadio Wissen über episodische Computerspiele reden.

Nächtelang durchzocken, beim Computerspiel zu Game of Thrones geht das nicht. Und genau darin liegt der Reiz. Das Spiel zur TV-Serie wird in Episoden ausgeliefert, gerade läuft die erste Staffel des Spiels. Noch ist das eher ein Novum unter den Adventure-Games, sagt Christian Huberts, Kulturwissenschaftler von der Games Academy in Berlin.

Computerspiele werden politisch

Mächtiger Kulturwissenschaftler im Radio (II): Mit dem Deutschlandfunk über die Politisierung von digitalen Spielen reden.

Ob Fantasywelten, jede erdenkliche Sportart oder gar ein Landwirtschaftssimulator: In ihren Sujets sind Computer- und Videospiele äußerst vielfältig. Bloß ein Thema wurde von der Branche bislang weitgehend ignoriert: die Politik. Doch das ändert sich allmählich.

Virtuelle Lebendigkeit

Mächtiger Kulturwissenschaftler im Radio (III): Mit Christiane Frohmann – die das großartige E-Book »Tausend Tode schreiben« mit einem Text von mir herausgegeben hat – auf Reboot.fm über den Tod in Games reden.

Die Vorstellungen dessen, was Leben und Tod bedeutet bzw. was Lebendigkeit ausmacht, sind nicht allgemeingültig fixiert, sie fließen. Dass man nicht einfach lebend oder tot ist, lehren uns zuallererst Literatur, Kunst, Film und Games, wo Menschen ‚nicht richtig’ sterben und zurückkehren, so lange, bis sie der „Permadeath“ ereilt. Christiane Frohmann spricht mit dem Kulturwissenschaftler Christian Huberts über virtuelle Lebendigkeit und deren Einfluss auf unser Real Life.

Talking Games

Mächtiger Kulturwissenschaftler im Radio (IV): Auf NDR Kultur ist Raphael Smarzoch mit »Talking Games« [Edit: leider depubliziert] ein Gemälde unter den Computerspiel-Radiofeatures gelungen. Ich bin beim Streifzug durch virtuelle Welten mit dabei. Hörbefehl!

Jeden Tag geht Angel für mehrere Stunden online und streamt Computerspiele. Ihre Community schaut ihr dabei zu und chattet mit ihr. Angel antwortet per Webcam. Die junge Gamerin versteht ihren Kanal nicht nur als Unterhaltungsplattform, die ihren Lebensunterhalt sichert, sondern auch als Diskussionsforum.

Elektronische Spiele sind aber für die Streamerin nicht nur bloßer Zeitvertreib. Sie kommentieren zudem gesellschaftliche Entwicklungen, formulieren moralische Probleme, machen Spieler zu Komponisten und Geschichtenerzählern und helfen ihnen, die Kunst des Scheiterns zu erlernen.

Through a rear-view mirror

Auf dem Kultur-, Medien- und Whatever-Blog Zebrabutter kann man meinen Text »Through a rear-view mirror« aus der WASD #6 nachlesen:

Die gute Nachricht ist, dass die Vergangenheit der Computerspiele nicht einfach verschwinden wird. Auch heute noch lesen Menschen griechische Epen. Und die schlechte Nachricht ist eigentlich gar nicht schlecht: Computerspiele werden sich früher oder später von ihrer Vergangenheit lösen. Die Frage, was Computerspiele sind, was sie für uns leisten können oder sollen wird noch lange ungeklärt bleiben. Um Marshall McLuhan ein wenig aus seiner Zeit zu reißen: „Computerspiele sind alles, womit man durchkommt!“

Wikipedia

Ich bin relevant! Es gibt nun einen Eintrag in der Wikipedia über mich. Ich freue mich schon jetzt über kreative Fehlinformationen und Vandalismus.

Christian Huberts (* 1982 in Hildesheim) ist ein deutscher Autor und Kulturwissenschaftler.

Writing for Interactive Media

Am 10. Mai war ich zu Gast bei beim Workshop »Writing for Interactive Media« an der IFS Köln und habe über das Schauen von Computerspielen referiert:

Wie schreibt man für interaktive Medien (Games, transmediale Projekte, etc.)? Wie können bereits bestehende interaktive Systeme analysiert und kreativ genutz werden? Welche Denkstrukturen sind dafür notwendig?
Wie sieht die konkrete Zusammenarbeit zwischen Interactive Writers und Entwicklern / Auftraggebern aus? Welche Probleme können auftauchen? Mit welchen Absprachen und Dokumenten wird gearbeitet?
Wie kann man sich ein Portfolio als Interactive Writer aufbauen? Wer sind diepotenziellen Auftraggeber? Wie spricht man sie effektiv an?
Theoretische Vorträge und Case Studies vermitteln das nötige Handwerk eines Interactive Writers und führen in grundlegende Arbeitsweisen ein. Mit professioneller Unterstützung können die Teilnehmer das Erlernte praktisch erproben.

Ein Leben hat die Taste

Kollege Michael Schulze von Glasser hat einen sehr empfehlenswerten Artikel im Freitag über den Permadeath und andere Darstellungsformen des Todes in digitalen Spielen geschrieben und mich dabei zitiert:

Weil das Leben in virtuellen Welten kaum etwas wert ist, sagt der Kulturwissenschaftler und Buchautor Christian Huberts: „Games sind in vielerlei Hinsicht eine Überflussökonomie, das heißt, es gibt von allem mehr als genug: Waffen, Munition, Geld und auch Leben.“ Besonders in Kriegsspielen. Wirft man einen Blick auf Videospielstatistiken, weiß man, was Huberts meint: Im Online-Mehrspielermodus des 2013 erschienenen First-Person-Shooters Battlefield 4 bringt es der Rekordhalter aktuell auf über 343.000 virtuelle Abschüsse anderer Spieler – das ist die Einwohnerzahl Wuppertals.

Zudem hat Michi just ein Video seiner YouTube-Reihe Games’n’Politics aus dem Thema gezaubert und ich finde auch Erwähnung dabei:

International Games Week

Die International Games Week vom 21. bis zum 26. April in Berlin war auch in diesem Jahr wieder ein großer Spaß. Über das A MAZE.-Festival muss ich ja sicher keine Worte mehr verlieren – das war einfach nur »D’awwww!«.

Aber der Rest war ebenso kurzweilig, auch wenn ich beim Deutschen Computerspielpreis mit etwas Buzzword-Bingo weiterhelfen musste (hier kann man das selbst ausprobieren).

Aber ich habe auf der Games Week natürlich nicht nur Quatsch gemacht, sondern hatte am 21. April meinen Einstand bei den Tagesthemen. Man muss ein bisschen Geduld haben und die ganze Rahmung des Beitrags zur Förderung von Games ist dann auch denkbar unglücklich geworden, aber hey, Hauptsache mal wieder im Fernsehen! 😉

Mit dem Handy spielend lesen

Mächtiger Kulturwissenschaftler im Radio (V): Beim Kulturmagazin Scala vom WDR 5 über Gaming-Apps mit Literatur-Bezug reden [Edit: leider depubliziert].

Wie viele Sätze passen in etwa auf das Display eines Smartphones? Nicht viele, wenn man sie bequem lesen will. Und trotzdem bietet ein Handydisplay genug Platz, um Geschichten zu entfalten. Auch dadurch, dass die Displays immer besser werden, wächst die Bereitschaft der Leser, sich auch auf dem Smartphone auf längere Texte einzulassen. Ein neuer Markt für Geschichtenerzähler — und Gamedesigner. Denn Text, Bild, Ton und interaktive Momente lassen sich hier wunderbar verschmelzen.

Hybrid Talks »Spiele«

Am 5. Februar wurde im Rahmen der »Hybrid Talks«-Reihe der Universität der Künste Berlin und der Technischen Universität Berlin über Spiele geredet. Ich war mit einem Vortrag dabei, der später im Jahr zur Grundlage meines Science Slams werden sollte – so schließt sich der Kreis!

Christian Huberts, Kultur- und Medienwissenschaftler an der Hochschule der digitalen Gesellschaft vollzog unter Bezugnahme historischer Vorläufer eine unterhaltsam illustrierte Engführung aktueller Spielentwicklungen mit Optimierungstendenzen. Die technischen Möglichkeiten und Voraussetzungen von Computern würden zwar durch spielbasierte Elemente voll ausgeschöpft und könnten in dieser Weise Entwicklungspotenziale aufzeigen, in der Umsetzung bestünden jedoch im Rahmen der Gamification auch Alternativen zu reinen Optimierungsbestrebungen: »Bin ich als Mensch gut – optimiert, gut konfiguriert?« Exemplarisch entwarf Huberts, wie diese Fragestellung von Spielentwicklern durchbrochen, kreativ umgewandelt, hinterfragt sowie im Sinn von Gamification in den Alltag übertragen werden können: mittels differenzierteren Spielmechanismen, die »kein Spiel«, Spiele ad absurdum, und eine Abkehr von handlungs- und intentionsbasierter Spielumgebung zum Ausdruck und das Scheitern als zentrales Element ins Spiel bringen und so zur Förderung kreativer Prozesse beitragen können.

Nächste Halbzeit 2015

So vollgepackt, wie der Rest des Jahres jetzt schon ist, wird’s wohl etwas dauern mit dem nächsten Blog-Post. Unter anderem stehen auf dem Programm: gamescom congress, PLAY-Conference, Film und Games sowie jede Menge Texte, Artikel und anderer Kram. Auch wenn’s viel Spaß macht, bleibt es Arbeit. Also (hier dann mal wirklich): NOT A GAME!!!